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Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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laut. »Von Calven wollte, dass man Lübecks Häfen und Märkte sofort schließt, um die Pest fernzuhalten. Lynow und Oldesloe haben sich mit ihm auf der Ratslaube über das Thema gestritten. Vielleicht war der Tod von Kirchows eine Warnung für von Calven?« Sie schauderte bei dem Gedanken.
    »Das wäre möglich«, sagte Pater Martin, »wenn wir beweisen könnten, dass Lynow irgendetwas damit zu tun hatte.« Dann sah er sie väterlich an. »Meine Antwort lautet nein. Ich glaube nicht, dass du verflucht bist, und ich glaube auch nicht, dass diese Leute deinetwegen haben sterben müssen. Ich glaube allerdings, dass Lynow schlimm in diese Todesfälle verwickelt ist. Auch wenn wir außer diesen Motiven und einigen merkwürdigen Zufällen keinen Grund haben anzunehmen, dass von Kirchow und von Calven ermordet wurden.«
    Marike hakte ein. »Vielleicht sollten wir von Kirchows Leichnam beschauen.«
    »Marike!«, rief der Priester entsetzt. »Was soll denn das bringen?«
    »Ihr sagtet doch selbst, dass wir gar nicht wissen, ob die Leute ermordet worden sind oder nicht. Wo erhält man bessere Hinweise als an den Leichen? Wisst Ihr denn, wo man ihn hingebracht hat?«
    »Ich glaube zu Bruder Anselmus ins Heiligen-Geist-Hospital. Er ist ja der Pestarzt, und alle Leichen müssen von ihm untersucht werden. Aber, Marike, was soll uns denn der Körper sagen, wenn schon der Fron nichts bemerkt hat? Wir sind doch beide keine Ärzte!«
    »Aber Bruder Anselmus ist einer! Pater, versteht doch! Lyseke gibt mir die Schuld. Wenn ich herausfinde, was mit Gunther von Kirchow geschehen ist …«, Marike suchte nach Worten, »… dann kann ich vielleicht mit ihr wieder ins Reine kommen. Und dafür muss sie wissen, warum er gestorben ist.«
    »Und du glaubst, sie vergibt dir, wenn du Lynow überführst?«, fragte Pater Martin zweifelnd.
    »Ich weiß, dass sie es wissen wollen würde, Pater. Ich würde es wissen wollen.« Marike senkte eindringlich die Stimme. »Ich habe es Lyseke versprochen. Und ich kann nur Euch vertrauen, Pater! Zu wem soll ich denn sonst gehen? Zu meinem Vater?«
    Da musste auch Martin lächeln. »Nein, wohl besser nicht, Kind. Komm! Wir sprechen mit Bruder Anselmus. Ich belüge ihn nur ungern, aber er darf nicht erfahren, warum genau wir den Leichnam sehen wollen. Wenn wir kaum genug Indizien haben, um uns selbst zu überzeugen, werden sie schwerlich für andere reichen. Und auf dem Weg erzählst du mir, was du über diesen Flötenspieler weißt.« Er erhob sich und reichte ihr die Hand, um ihr beim Aufstehen behilflich zu sein. Marike ergriff ihren weiten Rock und ließ sich aufhelfen. Dann gingen sie durch die Pforte in der Steinmauer auf die Glockengießerstraße hinaus.
    Das Heiligen-Geist-Hospital befand sich nur einen Steinwurf entfernt die Königstraße hinauf, und Marike machte sich mit Pater Martin auf den Weg. »Was ich von ihm weiß?« Marike legte ihre Stirn in Falten. »Ich weiß nicht … Kennt Ihr das Gefühl, dass Ihr jemanden schon ewig kennt, auch wenn Ihr ihm zum ersten Mal begegnet? So ungefähr hat es sich angefühlt. Er wirkt irgendwie dunkel auf mich. Man kann seine Gedanken nicht lesen. Und er redet gerne über den Tod. Überhaupt scheint er jemand zu sein, der schon viel durchgemacht hat im Leben. Seine Augen wirken so alt.«
    Ein junger Bursche lief ihnen in den Weg, der eine Korbflasche hinter sich herzog und einen Holzbecher am Hals hängen hatte. Er hatte rotes Haar und war sicher erst sechs oder sieben Jahre alt, urteilte Marike. »Wasser?«, fragte er geschäftig und griff schon zur Flasche, die größer als sein Kopf war, um den Becher zu füllen. Der Strubbelkopf und die Zahnlücke erinnerten Marike daran, dass sie ihn schon einmal gesehen hatte – der Bube hatte schon auf dem Weg zu Lyseke versucht, ihr etwas zu verkaufen. Doch auch heute schüttelte sie wieder den Kopf.
    »Wo ist dein Vater?«
    »Zu Hause«, krähte der Bursche kurz. »Er kann nicht gehen. Aber ich kann Euch auch Wasser verkaufen. Also?«
    »Nein«, lehnte Marike ab. »Wie heißt dein Vater?«
    »Warum?«, fragte der Bube misstrauisch.
    »Weil ich ihn in meine Gebete einschließen will, kleiner Dummkopf.«
    »Ach so«, sagte der Junge. »Albert. Und ich bin Felix.«
    »Felix – ›der Glückliche‹«, lächelte Pater Martin. »Wir werden für ihn beten.« Damit ließen sie den Jungen stehen und gingen weiter. Marike ignorierte geflissentlich, dass Felix ihnen die Zunge herausstreckte, bevor er sich wieder daranmachte,

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