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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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«den Schreiber Ulrich Entemaier, den Häfner Alt Wagenhans, den Messerschmid Caspar Bregenzer, den Häfner Auberlin Faulpelz. Dito die fünf Hauptleute der aufrührerischen Fähnlein, die da sind: Wagenhans Bernhart aus Schorndorf, Glashans und Fuchsclas aus Schorndorf, Muthans und Jerg Beder aus Beutelsbach. Dito die vier Fähnriche, die da sind Jörg Igel aus Großheppach, Pfaffenclaus aus Urbach   …» – «…   Dazu Vit Bur und Göry Schnider aus Grunbach   …» – «…   Dazu Jerg Butelin und Endres Schmid aus Beutelsbach   …».
    Wie Peitschengeknall stieß Ulrich jede Silbe hervor, immer weiter, bis sechsundvierzig Männer in Ketten und gesenkten Hauptes vor ihm standen.
    «All diese Männer», schrie es jetzt förmlich aus ihm heraus in die wabernde Augusthitze, «sind angeklagt des Aufruhrs und der mörderischen Verschwörung gegen ihren Herrn. Ein jeder von ihnen gestehe nun und benenne sein infames Verbrechen, auf dass er in Frieden und mit Gottes Gnaden seiner Strafe entgegengehe.»
    Ulrich holte tief Luft, dann trank er sein Krüglein in einem Zug leer. «Was die übrigen Angeklagten betrifft, euch Hunderte von elenden und schändlichen Mitläufern: Auch ihr, die ihr mich so maßlos enttäuscht habt» – er wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel   –, «werdet der Gerechtigkeit nicht entgehen.»
    Sabina stach es ins Herz vor Mitleid, als einer der Gefangenen in Richtung Tribüne taumelte, auf die Knie fiel und erbarmungswürdig um Gnade wimmerte, als der Nächste und Übernächste seinem Beispiel folgten, dann auch etliche der Zuschauer, sämtliche Frauen und Kinder – bis sie alle flehten und heulten, ihr Herr und gnädiger Fürst möge doch ihren Hochmut und ihren Frevel verzeihen, sie seien bereit für jede Strafe aus seiner Hand, wenn es nur nicht der Tod wäre!
    Mit dem Knall einer Handbüchse musste der Büttel dem Hohen Gericht Ruhe verschaffen, dann beriet sich Ulrich mit seinen Ratgebern und Beisitzern, während der Henkersgaul ausgespannt wurde und auf dem Karren alles Notwendige für die Hinrichtungen präpariert wurde. Sabina hörte den Singsang der Richterstimmen unterm Baldachin wie aus weiter Ferne, verstand nicht die Frage des Leibdieners, sah nur dessen Gesicht, das sich besorgt über sie beugte, dann hörte sie ein misstönendes Rauschen, alles bewegte sich fort von ihr, in behäbigen Wellen und gedämpft wie unter einer dicken Schicht Schleim. Sie zwang sich, tief und ruhig durchzuatmen.
    «Gott zu Lob und Preis», riss Ulrichs laute Stimme sie aus ihrem Schwindelzustand, «und auf euer Flehen hin, sind Wir bereit, es bei Geldstrafe und bei Entwaffnung zu belassen für diejenigen, die nicht zu den Hauptleuten zählen. Auf dass ihr wieder zu willigen Untertanen werdet.»
    Einige sanken erneut auf die Knie und stimmten ein gemeinsames Dankgebet an.
    «Ruhe jetzt!» Thumb schlug dreifach den goldenen Stab. «Das Hohe Gericht verkündet nun sein Urteil über die Rädelsführer.»
    Ulrich wandte den Kopf Sabina zu. Er lächelte. Bedächtig und mit voller Stimme sprach er dann: «Wir, seine Fürstlich Gnaden Ulrich Herzog zu Wirtemberg und Teck, Graf zu Reichenweiher und Mömpelgard, verurteilen am heutigen Mittwoch nach Sankt Dominikus anno 1514 im Jahre des Herrn wegen Aufruhr und Verschwörung zum Tode die folgenden Malefikanten: Hans Vollmar, Bastian Schwartz, Jacob Dautel, Hans Cleesattel, Jakob Dut, Hans Fürst, Ludwig Fassolt, Jörglin Kremer, Michel Schmid, Hans Weyss. Als Zeichen der Gnade gewähren Wir den Genannten den ehrenhaften Tod durch das Schwert. Der Kopf des Dauteljacob aus Schlechtbach aber soll zur Abschreckung auf den mittleren Turm zu Schorndorf gesteckt werden, um allda zu verwesen. Gott sei ihren Seelen gnädig.»
    «Nein!!!», gellte es aus der Reihe der Todgeweihten. «Ich will nicht sterben! Hab nie was Böses im Sinn gehabt, hab doch immer nur dumme Reden geführt.»
    Ein kräftiger Trommelwirbel übertönte die Worte des vor Verzweiflung kreischenden Mannes, und die geharnischten Wächter zerrten einen nach dem andern zum Henkerskarren. Dort wartete schon der Stadtpfarrer mit schweißnasser Stirn.
    Als Erster war Hans Vollmar an der Reihe. Gefasst, wennauch bleich wie ein Leintuch, erklomm er den Karren und trat an den Richtblock. Dort bat er erst seine Frau und seine Kinder um Vergebung, dann seine Gemeinde um Gebet und Seelenmessen. Er legte seinen Oberkörper auf den glatten hellen Stein, so vorsichtig, als fürchte er, sich wehzutun.

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