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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Sabina vermochte den Blick nicht abzuwenden von diesem Schauspiel. Mit aufgerissenen Augen starrte sie, bis alles vor ihr zu zittern und zu flimmern begann.
    Kraftvoll nahm der Henker das Richtschwert in beide Hände, suchte sich mit den Beinen einen festen Stand zu sichern, schwang die schwere Waffe mit Leichtigkeit in die Höhe, während er mit seinem Oberkörper eine beinahe anmutige, tänzelnde Drehung vollführte und sich streckte und dehnte, um dann mit einem einzigen Hieb von schräg oben zielgenau den Kopf vom Rumpf zu trennen.
    Als der Kopf fiel, kippte Sabina mit einem lautlosen Seufzer seitlich vom Stuhl, unbemerkt zunächst im allgemeinen Wehgeschrei der Menschen, in das sich fernes Glockengeläut mischte und so etwas wie Gelächter – war es das höhnische Gelächter ihres Gemahls? Er lachte gewiss über den Kopflosen und über die wehklagenden Bauern, lachte über die kindische Schwäche seiner Gemahlin. Endlich wurde ihr alles ganz schwarz und leer und leicht.
    Sie erwachte in einem fremden Bett, in einer stickigen Kammer.
    «Wo bin ich?» Vorsichtig richtete sie sich auf. Draußen begann es zu dämmern. Eine Kammerfrau beeilte sich, ihr einen Becher Wasser zu reichen.
    «In der Schorndorfer Vogtei, Euer Fürstlich Gnaden.»
    «Ist es vorüber?»
    «Die Hinrichtung? Nein. Drei waren geköpft, dann erst bemerkte man Eure Ohnmacht und ließ den Rechtstag unterbrechen. Morgen früh geht es weiter. Die Hitze heut war auch gar zu arg.»
    «O mein Gott», entfuhr es Sabina, und sie ließ sich wieder auf das blütenweiße Linnen sinken. Sie allein trug die Schuld daran, dass die Malefikanten sich nun endlose Stunden länger quälen mussten, dass sie noch eine qualvolle Nacht durchstehen mussten, bis der Tod sie erlöste.
    Besorgt sah die Kammerfrau sie an. «Ist Euch noch immer übel, gnädige Herrin?»
    «Ein wenig.»
    «Vielleicht solltet Ihr eine Kleinigkeit zu Euch nehmen. Unten im Saal ist das Nachtmahl gerichtet, die Hohen Herren sind bereits beim Speisen. Wenn Ihr es wünscht, führ ich Euch hinunter.»
    «Um Himmels willen – ich brauche einfach nur Ruhe. Gebt dem Herzog Bescheid, dass ich nach wie vor unpässlich bin und auch morgen dem Rechtstag nicht beiwohnen werde.»
     
    Ganz allmählich zeichneten sich vor der einzigen Fensterluke unterhalb der Decke die Konturen der Zweige und Blätter ab, bis schließlich das Eichenlaub im sanften Grün des Morgens erglänzte. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, und man würde ihn holen kommen.
    Vitus streckte die taub gewordenen Beine aus. Seine Handgelenke, die an die Kellerwand gekettet waren, brannten wie Feuer. Fast war er der Herzogin dankbar, dass sie gestern Nachmittag zusammengebrochen war, denn auch ihn hätte es bei der brütenden Hitze keine Stunde länger auf den Beinen gehalten, so geschwächt war er gewesen. Was wenig verwunderte nach vier Tagen Kerkerhaft ohne Brot und ausreichend Wasser für die Aberhunderte von Gefangenen, die in den überfüllten Kellern, Türmen und Verliesen von Schorndorflagen. Hinzu waren am zweiten Tag die Schmerzen gekommen, nach den peinlichen Verhören. Ausgerechnet von ihm nämlich hatten die Untersuchungsrichter sich Auskünfte über den Gaispeter erhofft, nur weil ihn ein paar hinterfotzige Schelme als einen aus Beutelsbach verraten hatten, als einen aus des Gaispeters engstem Umkreis. Mit Rutenstreichen hatten die Büttel es aus ihm herausprügeln wollen, dabei hatte er nicht einmal lügen müssen, wenn er ein ums andere Mal beteuerte, er habe keine Ahnung, wo der Gaispeter sich verberge. Er wisse nicht mal, dass er überhaupt entkommen sei. Zunächst hatte man es dabei belassen und ihn mit seinem aufgeplatzten Rücken zurück in den Kerker gebracht, wo er eine qualvolle Nacht auf seiner Strohschütte zugebracht hatte. Als sie ihn dann am nächsten Tag erneut kujonierten und damit drohten, ihm die Arme aus der Schulterpfanne zu reißen, da hatte er ihnen entgegengeschrien, der Beutelsbacher sei zu den Eidgenossen geflohen. Dies schien ihm noch am klügsten; die eidgenössische Schweiz war so groß, dass man einen wie den Gaispeter dort niemals finden würde.
    Wunderbarerweise hatte man ihn daraufhin tatsächlich zurück in seine Zelle unterm Rathaus gebracht und in Ruhe gelassen bis zu dem Augenblick gestern, als es hieß: Der Herzog sei eingetroffen und halte nun Gericht auf dem Wasen vor dem Tor. Wie in einem Reigen zum Totentanz waren sie dort aufmarschiert, mit dem Pfaffen vorweg, dem Sensenmann im

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