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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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nahm im Schatten des Baldachins Platz. Sie erkannte nun, wer vom Hofe sich hier zum Hohen Gericht eingefunden hatte, angeregt plaudernd und so festlich und erlesen bunt gekleidet, als stünde ein fröhliches Sommerfest ins Haus. Neben sämtlichen Obervögten des Landes und einigen Ratsmitgliedern   – Dietrich Speth konnte sie ebenso wenig entdecken wie Doctor Reuchlin – waren dies insbesondere der Tübinger Vogt Conrad Breuning, der die Anklage vertrat, und der Schorndorfer Vogt Georg Gaisberg als Fürsprecher der Bauern. Dessen Bruder Hans, als Stuttgarter Vogt und getreuer Vasall des Herzogs, hatte den Vorsitz inne.
    Er war es auch, der jetzt seinem Herrn zwei zusammengerollte Listen mit unzähligen Namen überreichte. Ulrich nickte seinem Erbmarschall zu, und Thumb von Neuburg ließ den goldenen Stab dreimal gegen die Holzplanken krachen: Die Verhandlung war eröffnet. Mit fester Stimme verlas Ulrich eine schier endlose Litanei von Namen, jeder der Aufgerufenen musste vortreten. Sabina sah in die verschwitzten, von der sengenden Sonne geröteten Gesichter, sah die von Schlägen aufgerissenen Wangen, die blutverschmierten Hemden, die Augen, in denen Verzweiflung stand. Mit dem Tübinger Vertrag galt das neue Gesetz, wonach Landesaufruhr mit dem Tode zu bestrafen war. Doch würde es Ulrich tatsächlich fertigbringen, weit über tausend Männer hinrichten zu lassen, die bis vor kurzem als brave Bauern und Handwerker ihr Brot verdient hatten?
    Sie spürte, wie es ihr im Kopf immer schwerer und dumpfer wurde, wie diese Hitze selbst hier im Schatten das Blut stocken ließ. Dankbar griff sie nach dem feuchten Tuch, das ihr einer der Wasserknechte reichte. Auch Ulrich benötigteoffenbar eine Unterbrechung. Er legte die erste Rolle beiseite und gab den Knechten hinter der Tribüne einen Wink. Dann ließ er sich seinen Weinkrug randvoll füllen und lehnte sich zurück.
    Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Schwüle und jene unheilvolle Stille über dem Wasen beinahe noch das Bedrückendste gewesen – noch war nichts geschehen. Das änderte sich schlagartig, als Sabina das Ächzen und Rumpeln von Wagenrädern vernahm. Da plötzlich ging ein Aufschrei durch die Menge, dort zuerst, wo sich der schwarze Henkerskarren seinen Weg durch die Menschen bahnte, ein Aufschrei des Entsetzens, der sich in einer mächtigen Welle ausbreitete und hier und dort in jammervolles Schluchzen überging. Herzog Ulrich meinte es ernst, die angedrohte Sühne waren keine leeren Worte gewesen!
    In gebührendem Abstand zur Richtertribüne ließ der Scharfrichter halten. Während seine vier Knechte, deren leuchtend gelbe Gürtel ihr schmutziges Gewerbe verrieten, den Richtblock in die Mitte des Karrens zerrten, blieb ihr Meister, der schreckliche Vollstrecker, der Blutscherge, der, dessen Namen keiner aussprach und bei dessen Anblick jeder das Kreuzzeichen schlug, breitbeinig und regungslos stehen, die Schwertspitze vor sich ins Holz gebohrt. Einen langen Augenblick noch kostete er die Blicke aus, die an seiner in Lederwams und gelb-rot gestreiften Umhang gekleideten Gestalt, an seiner tödlichen Waffe aus blitzendem Stahl klebten. Vielleicht ahnte er, dass seiner Kunst dieses Mal vom Publikum kaum Beifall gezollt würde. Ulrich ließ ihm, dem ehrlosen Außenseiter, dieses kurze Gefühl von Macht und Triumph, dann erhob er sich aus seinem Samtstuhl.
    «Hohes Gericht! Bürger des Amts Schorndorf, Bauern und Hintersassen! Männer und Frauen! Damit Recht auchfürderhin Recht bleibe, damit Unrecht auch fürderhin seine zwingende Strafe nach sich ziehe, werden Wir als Euer landesherrlicher Fürst, als Euer Gerichts-, Grund- und Leibherr, nicht zögern, hier und heute ein Exempel wider Ungehorsam, Aufruhr und mörderische Verschwörung zu statuieren. Alle werden sie ihre gerechte Strafe finden. Zuallererst indessen werden Wir eine gesonderte Liste verlesen, mit den Namen derjenigen, die sich unzweifelhaft als Rädelsführer dieses schändlichen Aufruhrs hervorgetan haben und unter ihrer bundschuhischen Fahne gegen Uns und Unsere Getreuen gezogen sind. Ihnen gilt die ganze Härte der neuen Gesetze.»
    Angstvolles Raunen fuhr durch die Reihen der Delinquenten wie der Zuschauer. Sabina schloss die Augen. Sie wollte keine Namen mehr hören, keine Männer mehr sehen, die sich, geschwächt und in Todesangst, zu diesen Namen bekennen mussten.
    «Als Anhänger des Schorndorfer Ratschlags befehlen Wir vorzutreten», des Herzogs Stimme wurde laut und schneidend,

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