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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Ereignis sie Zeugin geworden, noch dass sie mit dem Leben davongekommen war. Die Welt um sie herum hatte plötzlich alle Klarheit und Greifbarkeit verloren, alles schwankte und wankte, als gäbe es keinen festen Grund mehr, auf dem die Dinge ruhten.
    Erst als Marie bis zu den Knien in der eiskalten Strömung des Baches stand, wurde ihr allmählich wohler. Hart schrubbte sie sich Hände und Arme, an denen das Blut aus Ulrichs Händen klebte, das Blut des anderen Mannes. Sie schrubbte so lange, bis die Haut brannte und aufzuspringen drohte. Dann endlich wagte sie, tief durchzuatmen und sich aufzurichten.
    Das Dorf vor ihr lag wie ausgestorben da. Dabei war es längst Zeit, vom Feld heimzukehren, zumindest für die Alten und Kinder, die das Essen richten mussten. Doch kein Herdfeuer brannte, keine Stimme war zu hören, die staubige Dorfstraße schien nur noch von Hühnern und Gänsen bevölkert. Als ob ein Sturmwind hindurchgebraust sei und alle menschlichen Seelen mitgenommen hätte. Wenn nun dieser Alb hier einfach weiterging? War sie überhaupt noch in dieser Welt? Oder hatten diese blutigen Mörderhände sie längst mitgerissen – in ein Zwischenreich, aus dem es keine Rückkehr mehr gab?
    «Marie!»
    Sie strauchelte vor Schreck. Dann erkannte sie im Schatten eines der Häuschen die alte Häcklerin, auf ihre beiden Krücken gestützt. Vor Erleichterung begann sie zu weinen.
    «Komm her, Mädchen. Was ist denn mit dir geschehen? Und überall diese Striemen im Gesicht und an den Beinen? Was um Himmels willen hast du gemacht?»
    «Ein Keiler hat mich gejagt. Beim Kräutersammeln.»
    Jetzt erst fiel ihr auf, dass sie mit leeren Händen heimkam und dafür nicht schlecht Prügel ernten würde. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
    «Warum – warum ist hier niemand?»
    Die Alte grinste zahnlos.
    «Die haben alles liegen und stehen lassen und sind rüber nach Holzgerlingen gerannt. Wie der Auszug aus Ägypten! Der herzogliche Oberstallmeister soll ermordet worden sein, während einer Jagd. Ganz hier in der Nähe. Jetzt liegt er aufgebahrt in der Mauritiuskirche.»
    Marie setzt sich neben die Heilerin auf die Türschwelle und schwieg.
    In der Abenddämmerung kehrten die Dorfbewohner zurück, außer sich über das, was sie erfahren hatten.
    Marie nahm ihre kleine Schwester zur Seite.
    «Erzähl. Was ist da passiert auf der Jagd?»
    «Ein Edelmann ist erstochen worden. Er lag in seinem Blut, auf einer Lichtung drüben beim Buchenwäldchen. Der Schwager des Herzogs hat ihn gefunden und nach Holzgerlingen gebracht.»
    «Und   – Herzog Ulrich?»
    Maries Stimme zitterte, und Nele sah sie erstaunt an. «Der Herzog? Ja, stell dir vor, der war es doch! Das ist ja das Unvorstellbare. Hab selbst gesehen, wie er vor den Leichnam getreten ist und mit ganz lauter Stimme verkündet hat, er habe seinen Diener gerichtet.»
    «Was?»
    «Weil der nämlich ihm zuerst den Gehorsam verweigert und ihn sodann angegriffen und mit dem Leben bedroht hätte. Just in dem Moment, als unser Herzog mit ihm allein und ungeschützt gewesen sei. Unter Tränen hat er gerufen, er habe nicht anders handeln können, es war Angst und Notwehr. Du hättest ihn sehen sollen, Marie! Unser Herzog hat geweint, vor uns allen, vor uns Bauersleuten!»
    «Der Herzog ist ein Mörder», stotterte Marie.
    Nele schüttelte den Kopf. «Er hat das tun müssen, auch wenn ich das nicht so recht versteh. Irgendwas hat das mit einem geheimen Femegericht zu tun, dem er als Freischöffe angehört. Es sei alles nach altem fürstlichem Brauch und Recht geschehen.»
    Allmählich verstand Marie das seltsame Treiben des Herzogs nach dem Mord: Alles sollte so aussehen wie ein gerechtes Richterurteil, das ein Fürst über einen ehrlosen Bösewicht verhängt und vollzogen hatte, indem er ihn an einen Baum geknüpft hatte. Und niemand wusste, was wirklich geschehen war. Niemand, außer ihr.
     
    Sabina fuhr aus unruhigem Schlaf auf. Ihre Niederkunft stand kurz bevor, und sie konnte sich kaum noch rühren mit ihrem gewölbten Leib. Hinzu kam, dass wieder einmal ihre Hände taub und geschwollen waren, wie so oft des Nachts. Jedes Mal wachte sie davon auf. Dieser Blutstau würde nach der Geburt vorübergehen, hatte der Hofarzt prophezeit, wie so vieles, was sie in den letzten Wochen plagte. Sie konnte sich nicht erinnern, dass sie bei der kleinen Anna jemals an solchen Zipperlein gelitten hätte.
    Stöhnend richtete sie sich auf und tastete in der Dunkelheit nach dem Becher Wasser,

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