Das Mädchen und die Herzogin
Das ist Euer rechtmäßiges Wittum und nicht allzu weit von hier.»
«Ich war doch noch nie in Waiblingen, ich kenne dort keine Seele. Nein. Dort wäre ich erst recht allein.»
Der Hofzwerg erhob sich und tippelte auf seinen dicken Beinchen heran. «Ich habe einen anderen Einfall. Lasst mich nur alles vorbereiten.»
24
Nur vier Tage nach dem Mordanschlag ihres Ehegefährten gebar Sabina dem Herzogtum Wirtemberg einen Thronfolger. Gerade noch rechtzeitig war sie im Uracher Schlossangekommen, bei Maria und Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel, da hatten bereits die Wehen eingesetzt. Wehen, die nicht enden wollten, bis sie schließlich nach zwei Tagen und zwei Nächten unter unvorstellbaren Qualen den kleinen Christoph zur Welt gebracht hatte.
«Jetzt hast du es überstanden», flüsterte sie zärtlich zu dem winzigen Wesen in ihren Armen. «Du wirst sehen: Die Welt kann auch schön sein.»
Der Name des Kindes sollte ihm ein gutes Omen sein. So wie der heilige Christophorus seinen eisernen Stab in den Boden schlug und dieser zu grünen und zu blühen begann, so sollte ihr Sohn dereinst das Land wieder zum Grünen und Blühen bringen.
Als später dann die Amme das Kind holen wollte, weigerte sich Sabina, es ihr in den Arm zu legen. «Ich werde es selbst nähren.»
«Aber Euer Gnaden», stammelte der Hofarzt. «Das geht doch – das ziemt sich nicht für eine Hohe Frau, und außerdem zehrt das Stillen an der Gesundheit.»
«Habt Ihr unsere Amme jemals krank erlebt? Und was die Sittlichkeit betrifft, so hoffe ich doch, dass beim Stillen keine Mannspersonen anwesend sind.»
Dieser Logik konnte der Arzt nichts entgegensetzen. So brachte man denn die Wiege in Sabinas Stube, damit der Säugling stets in ihrer Nähe war, dazu das Kinderbett der kleinen Anna, die dieses ganze Durcheinander der letzten Tage zum Glück mit kindlicher Unbekümmertheit aufgenommen hatte.
Eine Woche später, zur Tauffeier, war Sabina bereits wieder bei Kräften. An der Festtafel erhielt Swinhardus Trummelschlager den Ehrenplatz zu ihrer Rechten, so dankbar war sie dem Zwerg für seine Eingebung, das Uracher Schloss zuihrem Domizil zu machen. Diese Entscheidung hatte sich als rundum richtig erwiesen. Angefangen von der würzigen Waldluft, die durch die geöffneten Fenster strömte, über den herrlichen Blick auf die Berge bis hin zu dem Umstand, dass sie hier keine Minute unbewacht war. Am Tröstlichsten aber war die Herzlichkeit gewesen, mit der ihre Schwägerin sie aufgenommen hatte.
«Bleibt, so lange Ihr wollt», hatte Maria gesagt. «Das Schloss soll Euer Zuhause sein so gut wie meines.»
Swinhardus hatte im Übrigen ganz richtig eingeschätzt, dass der Braunschweiger, als erklärter Gegner ihres Mannes, Sabinas sicherster Schutzherr sein würde. Und Ulrichs Gegner war Heinrich Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel mehr denn je. Nicht nur, dass er noch immer hartnäckig auf seine Morgengabe wartete und sich samt Dienerschaft und Leibregiment im Uracher Schloss festgesetzt hatte – er persönlich war es gewesen, der den Toten gefunden hatte, fassungslos und voller Trauer, denn er war der Familie des Stallmeisters eng verbunden. Und dass Ulrich Sabina mit dem Tode gedroht hatte, glaubte er ihr ohne Zögern.
«Dieser Mensch ist von Sinnen», hatte er ihr gesagt. «Aber hier seid Ihr in Sicherheit, dafür verbürg ich mich mit Leib und Leben.»
So waren stets mehrere Männer aus Heinrichs Leibregiment vor Sabinas Gemach postiert, bis auf die Zähne bewaffnet und mit Helm und Harnisch gerüstet. Dafür war sie ihrem Schwager von Herzen dankbar. Dennoch verließ sie niemals die leise Angst, das Grausige könne sich wiederholen. Auch jetzt, als der Küchenmeister das Festbankett eröffnete und die Mundschenke ihre Pokale mit edlem Wein füllten, ertappte sie sich, wie sie immer wieder in Richtung Tür blickte. Als könne dort jeden Moment ihr rasender Gemahl hereinstürmen. Undganz so unwahrscheinlich war dies nicht, da er als Landesherr und Vater selbstredend als Erster durch einen Reitenden Boten über die Geburt benachrichtigt worden war.
Was den Angriff auf Sabina betraf, so gab es hierfür ja tatsächlich keine Zeugen. Alles war mehr oder weniger im Heimlichen ihrer Kammer geschehen, und manchmal fragte sie sich inzwischen selbst, was wirklich vorgefallen war, so unglaublich schien ihr alles im Nachhinein. Was aber den Mord an Hans von Hutten anbelangte, so legte Ulrich eine Unverfrorenheit an den Tag, dass es einen stumm
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