Das Mädchen und die Herzogin
das Schicksal des wirtembergischen Herzogspaares vom Edelmann bis zur Spülmagd genüsslich durchgekaut und breitgewalzt wurde. Denn dass Hans die Wahrheit sagte, daran zweifelte sie keinen Augenblick. So schwankte sie zwischen Wut über die Dummheit des jungen Stallmeisters und flammendem Hass auf ihren Ehegemahl, der durch sein Gebaren ihren Namen und ihre Ehre in den Dreck gezogen hatte. Dass sich Ulrich bei alledem als gekränktes, unschuldiges Opfer sah, brachte sie nur noch mehr gegen ihn auf, und so fiel es ihr schwerer denn je, in seiner Gegenwart zu schweigen und zu dulden, zumal Ulrich neben Hans von Hutten rasch einen zweiten Sündenbock für sein Leiden ausgemacht hatte: seine eigene Gemahlin, der er nun offen drohte, sie im Kerker einmauern zu lassen, wenn sie sich nicht fortan wie ein anständiges, folgsames Eheweib verhalte.
Am selben Morgen noch, als Sabina die Ungeheuerlichkeit von Ulrichs Liebesschwur zu Ohren gekommen war, verfasste sie ein knappes Schreiben und ließ es dem Stallmeister überbringen. Darin bat sie ihn, aus Rücksicht auf das Herzogtum und in seiner Pflicht als Ehrenmann in fürstlichen Diensten, umgehend seinen Rücktritt einzureichen und alles Nötige für einen Wegzug zu veranlassen.
Währenddessen hatte der Herzog den gesamten Hofstaat in der Dürnitz zusammenrufen lassen, um seinen verräterischen, treulosen Stallmeister anzuprangern, ganz getreu dem Leitspruch, dass Angriff die beste Verteidigung sei. Hin und her tobte er zwischen den mächtigen Rundpfeilern der Halle, fuhr sich dabei wutbrüllend in Bart und Haare, schlug mit dem Degen gegen die Prachtgeweihe, als seien sie zum Angriffbereite Bestien. Die versammelte Dienerschaft – auch Sabina mit ihrem Frauenzimmer hatte in letzter Minute antreten müssen – stand starr vor Entsetzen, das Hündchen Fortunatus hatte sich mit einem lauten Jaulen auf Sabinas Arm geflüchtet.
«Habt keine Angst, Euer Fürstlich Gnaden», raunte Hofarzt Sauerbruch ihr ins Ohr und zitterte dabei selbst wie Espenlaub. «Das rührt alles nur von einer ordnungswidrigen Durchmischung der Körpersäfte. Ich werde ihn ein wenig schröpfen zur Mittagsruh, dazu ein Quäntchen Theriak, und schon ist Seine Fürstlich Gnaden, Ihr werdet sehen, wieder bei bestem Temperament.»
«Hat einer von euch etwa eine Silbe geglaubt von diesem infamen Geschwätz?», brüllte der Herzog eben und baute sich mit theatralisch erhobenen Armen vor dem Küchengesinde auf. «Ein Sterbenswort? Ja? Pfui schämt euch! Ihr seid nicht besser als dieser Fleischbösewicht von Stallmeister, der mir mit Bosheit vergilt, was ich ihm Gutes getan. Ein jüngerer Bruder, ein Herzensfreund war er mir immer gewesen und hat sich mir nun verhalten wie Judas an Gottes Sohn!»
Die Tränen rannen ihm jetzt übers Gesicht, und einer der Küchenjungen konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen – zu seinem großen Verhängnis.
«Du Wurm! Lachst du über mich? Wächter!! Bringt ihn ins Kellerverlies. Eine Woche bei Wasser und Brot.»
«Bitte, mein Herr und Fürst, ich wollte nicht –»
«Aus meinen Augen! Sofort!» Ulrich wandte sich wieder den anderen zu. Seine Stimme war nun gefährlich ruhig.
«Wer immer diesen Lügen Glauben schenkt oder sie auch nur weiterträgt – wer immer mich verleumdet, lächerlich macht und mich in meiner fürstlichen Ehre angreift, den wird mein Zorn treffen und vernichten wie ein Blitzschlag!»
Dann hieb er mit einem einzigen Degenstreich einen der Wandleuchter entzwei.
«Herr im Himmel, beschütze uns», hörte Sabina hinter sich ihren Stubenheizer flüstern. «Er ist Opfer von Zauberei und Gift geworden, ganz bestimmt. O Gott, das wird bös enden!»
Umso erstaunlicher war, dass Ulrich seinen Stallmeister nur zwei Tage nach diesem Auftritt in aller Freundschaft zu einer Jagdpartie in den Schönbucher Forst lud. Und das, obwohl Hans von Hutten ganz offiziell um seine Entlassung aus den Diensten als herzoglicher Oberstallmeister ersucht hatte.
23
Die ersten warmen Tage waren übers Land gekommen. Die lichten Wälder und Wiesen leuchteten in frischem Grün. Marie hatte den Auftrag, Waldmeister und Bärlauch zu sammeln, und nichts trieb sie heim zu ihrer missmutigen Muhme, nicht einmal der nagende Hunger, der längst ihr vertrauter Begleiter geworden war. Ihre kärgliche Ration an Brotkrumen hatte sie vertilgt, und so kaute sie auf ein paar Stängeln Sauerampfer herum, während sie auf einer Lichtung lag und die Mittagssonne genoss. Von ihrem Dorf
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