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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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es nicht.»
    «Dann befehle ich es dir, Stallmeister!» Des Herzogs Stimme wurde schrill.
    «Ich bitt Euch, quält mich nicht länger. Ich liebe meine Ursula. Lasst uns fortgehen vom Hofe. Das allein ist für uns alle am besten.»
    «Niemals! Sie liebt mich, mich allein, und ich kann nicht von ihr lassen. Ich will’s auch nicht!»
    Ulrichs Stimme dröhnte so laut durch den Wald, dass sein Pferd unruhig zu tänzeln begann. Im nächsten Moment zog der Herzog sein Schwert und hieb dem andern den Hut vom Kopf: «Ich will dich lehren, meinen Befehl zu verweigern!»
    «Ulrich!», schrie der andere, riss sein Pferd herum und galoppierte los. Da gab der Herzog seinem Ross ebenfalls die Sporen und setzte ihm nach, hetzte den Flüchtenden mit erhobenem Schwert kreuz und quer über die Lichtung, bis er ihm einen ersten Stich versetzen konnte. Aus einer tiefen Wunde blutend, fiel Hans von Hutten vom Pferd, das augenblicklich davonsprengte.
    Marie blieb das Herz stehen. Ulrich sprang vom Pferd, stach weiter auf den Wehrlosen ein, wieder und wieder. Der Stallmeister wälzte und wand sich, seine Todesschreie gellten über die Lichtung, als Ulrich den spitzen Gnadendolch ausdem Gürtel zog und ihm ins Herz stieß. Ein kurzes Röcheln noch, dann herrschte Stille. Rot glänzte das Blut in der Sonne, auf dem hellen Wams des Leichnams, im niedergetrampelten Gras, auf den Ärmeln und Beinkleidern des Herzogs.
    Als sich der Herzog erhob, war sein Gesicht tränennass.
    «Du dummer Kerl», rief er unter Schluchzen. «Du kreuzdummer Kerl!»
    Marie biss sich in die Fingerknöchel, dass es schmerzte. Jetzt nur nicht schreien, sich nur nicht verraten! Dabei waren ihr Beine und Arme längst eingeschlafen, nie wieder würde sie aufstehen können. Ihr blieb nur zu beten, dass dieser Albtraum bald ein Ende fand.
    Einer Ohnmacht nahe musste sie beobachten, wie der Herzog nun den Leichnam wegschleifte, zurück in den Schatten der nahen Eiche, wo noch der Hut des Stallmeisters lag. Dann folgte etwas äußerst Seltsames: Der Herzog rammte mit Wucht sein Schwert in den Baumstamm, zog dem Toten den Gürtel vom Leib, schlang ein Ende um dessen Hals, das andere um den Knauf des Schwertes. Danach faltete er die Hände und betrachtete mit eisigem Gesicht sein Werk: Wie aufgeknüpft lehnte der Tote am Stamm der Eiche und sah mit starrem Blick ins Leere.
    Es war, als sei die Natur angesichts dieses unfassbaren Frevels verstummt. Kein Vogel sang mehr, kein Wind fuhr mehr durch die Zweige. Nur Maries Atem ging immer heftiger, rauschte ihr schließlich wie ein Orkan in den Ohren. Plötzlich sah der Herzog in ihre Richtung. Genau in diesem Augenblick fiel ihr der Kräutersack aus den tauben Armen, fiel mit lautem Rascheln in einen Haufen Laub.
    «Teufel!» Mit einem Satz war der Herzog an ihrem Versteck. «Teufel aber auch!»
    Sein Griff an ihren Handgelenken war wie aus Eisen, alser sie in die Höhe zerrte. Sein Blick flackerte hin und her zwischen ihr und dem Leichnam. Marie wusste: Das war ihr Todesurteil.
    «Nichts hast du gesehen, hörst du?», zischte er. «Nichts, was dich anginge, du Bauernmetze. Überhaupt   –» Er musterte sie misstrauisch. «Dein hübsches Gesichtchen kenne ich doch.»
    «Das kann nicht sein», stammelte Marie, «da ich Euch nicht kenne. Hab auch nichts gesehen, nichts. So lasst mich doch bitte gehen!»
    «Herrgottsakrament», fluchte er, sah sich unschlüssig um und zog Marie schließlich hinter sich her in Richtung des Toten.
    «Nein!», wollte sie schreien, doch ihre Stimme versagte. Da sandte Gott einen Engel vom Himmel, einen Engel in Gestalt eines Edelmannes oder Fürsten, dem Gewand nach zu urteilen. Der brach am andern Ende der Lichtung durchs Gehölz, ein herrenloses Pferd am Zügel, gefolgt von weiteren berittenen Engeln. Sie alle waren gekommen, um sie zu erretten.
    Herzog Ulrich ließ ihre Handgelenke los, und Marie rannte um ihr Leben. «Du entkommst mir nicht, du Hexenbalg!», hörte sie, während sie zurück in den Schutz des Waldes floh, wo ihr die Zweige das Gesicht peitschten, ihre nackten Füße sich an Steinen und Ästen rissen. So hetzte sie weiter, immer weiter hinein in den Wald, bis sie irgendwann über eine Wurzel stolperte, der Länge nach hinschlug und sich nicht mehr rührte. Mochte kommen, was wollte – sie hatte keine Kraft mehr.
     
    Die Sonne stand schon tief am Himmel, als sie den Mühlbach erreichte, mit zerrissenem Rock und blutigen Füßen.Noch immer fasste sie nicht, bei welch unerhörtem

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