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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Kopf.
    «Wollen wir doch sehen.» Im nächsten Moment schlang sie die Arme um seine Schultern und presste sich an ihn.
    «Lass das!» Er schob sie weg. «Wenn das die Eltern sehen.»
    Hedwig lachte ihr schrilles Lachen. «Und wenn schon. Ein wenig Spaß darf sein, wenn man verlobt ist.»
    «Wir sind nicht verlobt.»
    «Dann tun wir es jetzt. Versprich mir die Ehe und schwöre vor Gott.»
    Sie strich ihm mit dem Zeigefinger über den Hosenlatz. Erkonnte nicht verhindern, dass ihn ein heftiger Schauer erfasste. Verdammt, diese Metze benahm sich wie eine Hübschlerin!
    «Was für ein Unsinn. Bis ich heirate, sind noch Jahre hin.»
    «Dann willst du mich wohl gar nicht zur Frau?» Sie blinzelte ungläubig. «Und dein Erbe willst du dann wohl auch nicht? Du weißt genau, dass die Heiratsabrede beschlossene Sache ist zwischen unseren Familien. Außerdem   –» Sie nahm seine Hand und schob sie unter ihr Hemdchen, geradewegs auf das pelzige Dreieck ihres Schoßes. «Außerdem dürftest du dann hiermit machen, was du willst.»
    Vitus schluckte heftig und zog seine Hand zurück. Hastig erhob er sich.
    «Hör zu! Ich weiß selbst, dass die Heiratsabrede feststeht. Aber bevor ich nicht ausgelernt habe, ist an Hochzeit gar nicht zu denken. Was bis dahin noch alles geschehen kann! Vielleicht bin ich dann ja ein Krüppel oder habe den Aussatz? Also lass uns nicht einen heiligen Eid schwören, den wir womöglich brechen.»
    «Dann versprich es einfach. Nicht vor Gott, sondern vor mir und bei deiner Ehre.» Ihre Augen wurden zu schmalen Schlitzen. «Danach kannst du alles von mir haben. Alles.»
    Vitus betrachtete das Mädchen von oben bis unten. Er hatte noch nie bei einer Frau gelegen, und seine Freunde zogen ihn deswegen bereits auf. Hedwig war zwar nicht besonders hübsch mit ihrem pausbäckigen Gesicht und dem aschfarbenen Haar, aber ihr Körper war makellos. Er konnte den Blick nicht abwenden von ihr. Doch zur Frau nehmen würde er Marie, keine andere. Das hatte
er
vor Gott geschworen.
    «Gut», presste er hervor, «ich verspreche es. Ich verspreche dir bei meiner Ehre», er hob die rechte Hand, «dass ich dich eines Tages ehelichen werde.»
    Vorsichtshalber kreuzte er hinter seinem Rücken die Finger der anderen Hand. Man wusste ja nie.
    «Und jetzt küss mich», rief sie triumphierend.
    Doch dazu kam es nicht. Unter dem lauten Gebimmel einer Glocke kam in diesem Moment ein Wanderprediger auf seinem dürren Esel über die Wiese getrottet, geradewegs auf sie zu. Im Schlepptau führte er das halbe Dorf mit sich.
    «Trauet nicht den falschen Propheten! Sondern besinnet euch auf das Wort Jesu Christi, auf das wahre Evangelium. Denn eine neue Zeit bricht an.» Die Stimme des Mannes wurde zu einem dröhnenden Bass, etwas Bedrohliches schwang darin mit. In Windeseile schlüpfte Hedwig in ihren Kittel und drängte sich in die Menge.
    «Wahrlich, ich sage euch: Höret nicht länger auf die verlogenen Worte der Kardinäle und Bischöfe, die von euch Demut in Armut fordern und sich selbst im Sumpf von Sodom und Gomorrha suhlen! Es herrscht Not, und die Herrschaft prasst. Ihr Bauern sollt darben, jede Missernte, jede Teuerung werden euch als Strafe Gottes verkauft, während in den Klöstern gesoffen, gefressen und gehurt wird, während die feinen Herren am Stuttgarter Hof prunken und protzen und ihre fetten Wänste mästen!»
    Einige der Dörfler brachen in Beifallsrufe aus, dann verschwand die Meute hinter einer Wegbiegung. Vitus stand noch immer am Ufer der Rems, reglos und mit den gekreuzten Fingern hinterm Rücken. Nicht, dass ihn diese gewagten, aufrührerischen Reden unberührt gelassen hätten. Aber zuallererst war er erleichtert, Hedwig los zu sein. Außerdem tauchten sie inzwischen bald täglich auf, all diese Wanderprediger, Bettelmönche und selbsternannten Heilsbringer. Wetterten gegen die geistlichen und weltlichen Herren, lautstark und voller Zorn, bis die Hunde vom Vogt oder Schultessie aus dem Dorf jagten. Sie mochten ja recht haben mit ihren Anklagen, doch ändern würde sich ohnehin nichts. Seit Anbeginn der Welt war die Menschheit in eine feste Ordnung gefügt, und der Stand der Bauern hatte das Land zu nähren, das war seine Pflicht. Ob diese Ordnung nun gottgegeben war oder nicht, fand Vitus belanglos – denn unumstößlich war sie allemal.
     
    Langsam zunächst und kaum spürbar breitete sich der Unmut in den Dörfern und Ämtern aus, während Ulrich Unsummen für Festbankette und Turniere, für seine geliebte

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