Das Mädchen und die Herzogin
Hofkapelle und seine Jagden zum Fenster hinauswarf. Die Maßlosigkeit und Verschwendungssucht des Herzogs würden das Land noch in den Ruin treiben, jammerten seine Ratgeber, erst hinter vorgehaltener Hand, dann immer offener. Am lautesten – und das beunruhigte Sabina in der Tat – jammerten Ulrichs treueste Vasallen, nämlich sein Landhofmeister Marschall Conrad Thumb von Neuburg, sein Canzler Gregor Lamparter und der Landschreiber Heinrich Lorcher, der Einblick in sämtliche Bücher und Geschäfte hatte. Stand es tatsächlich so schlimm um den Hofstaat?
Beispiele für Ulrichs Geltungssucht gab es ja genügend. Von heut auf morgen konnte er zum Turnier oder Tanzfest laden, und wie von Zauberhand waren die Gäste dann mit allem versorgt, mit erlesenen Tafelfreuden ebenso wie mit Musik und anderer Kurzweil. Dass alle kamen, wenn er pfiff, ob Landvolk oder hohe Gäste, davon ging Ulrich aus.
Früher hatte es Sabina wenig gekümmert, aus welchen Quellen sich das Leben bei Hofe speiste. Inzwischen aber wusste sie, dass der Herzog seit ihrer Hochzeit schon mehrfach die sonderliche Abgabe erhöht hatte, die für jede Herdstätte, je nach Stand und Vermögen, zu entrichten war. Ebenso wiedie Brücken- und Wegzölle im Land. Und nun, hieß es, denke er erneut über eine Erhöhung der Gülten und Schatzungen nach, ja sogar über eine gänzlich neue Steuer – anstatt sich selbst auch nur im Geringsten einzuschränken. Dabei zeigte er sich Sabina und ihrem Frauenzimmer gegenüber neuerdings geiziger denn je. Um jeden Gulden für sich und ihr Gefolge musste sie kämpfen, und längst hatte sie ihren Traum von einem schöneren Hofgarten oder einem Tiergehege aufgegeben. Das Einzige, was sie sich nicht hatte nehmen lassen, war der Einbau ihrer kleinen Bibliothek.
An einem drückend heißen Tag Ende Juni meldeten die drei Herren Thumb, Lamparter und Lorcher bei Sabina ihren Besuch an. Ulrich weilte für ein paar Tage in seinem Kirchheimer Jagdschloss, und ganz offenbar wollten sie die Gelegenheit nutzen, ein offenes Wort mit ihrer Landesherrin zu sprechen.
Wie immer fiel der Canzler mit der Tür ins Haus. «Die herzogliche Kassa ist leer, von den Schulden, die uns drücken, ganz zu schweigen. Wir erbitten demütigst Eure Unterstützung, Euer Durchleuchtig Hochgeborene Fürstin.»
«Soll ich das Säckel etwa füllen?», fragte sie spöttisch.
«Das nicht. Aber als des Herzogs Gemahlin könntet Ihr auf ihn einwirken. Ihr könntet –»
«Auf den Herzog einzuwirken ist Eure Aufgabe, nicht meine. Schließlich steht Ihr dafür in Lohn und Brot.»
«Nun», ergriff der alte Erbmarschall das Wort, «Ihr seid doch eine Frau und mit allen Vorzügen dieses Geschlechts gesegnet – da habt Ihr doch ganz andere Möglichkeiten, sozusagen im Geheimen, mit den Waffen des Weibes.»
Gib du lieber auf deine Tochter acht, dachte Sabina, auf diese läufige Hündin, dass sie nicht immer um meinen Gemahl herumschwänzelt. Laut sagte sie: «Ich weiß nicht,wie Ihr darauf kommt, ich könne etwas bei Herzog Ulrich ausrichten. Ich bin wohl die Letzte, auf deren Rat er hören würde. Das müsste auch bis an Eure Ohren gedrungen sein. Wenn Ihr also nichts anderes vorzubringen habt, so stehlen wir uns besser nicht länger die Zeit.»
Der Marschall kaute auf der Unterlippe. Dann schlug er dem Landschreiber auf die Schulter und zischte: «Auf geht’s, Lorcher.»
Der kramte umständlich in einem Stapel Papiere und räusperte sich. «Hochverehrte Herrin und Fürstin – Ihr seid, wie wir wissen, Eurem Bruder, dem Baiernherzog Wilhelm, eng verbunden. Möglicherweise könntet Ihr ja in dieser Richtung etwaige Ansprüche geltend machen.»
«Von daher weht der Wind! Da muss ich Euch leider enttäuschen. Gemäß Heiratsvertrag habe ich auf alles Erbe väter- und mütterlicherseits verzichtet. Ich hege also gegenüber dem Hause Wittelsbach keinerlei Ansprüche mehr. Umso mehr Ansprüche hätte ich allerdings gegenüber Eurem Herrn, dem Herzog von Wirtemberg. Zur Heiratsurkunde gehört nämlich ein Urbar, in dem alle nutzbaren Rechte und Einkünfte aus meinen Wittumsgütern Waiblingen und Winnenden aufgelistet sind. Das solltet Ihr vielleicht einmal studieren – dann wüsstet Ihr, dass mir aus dem Amt Waiblingen zweitausendachthundert Gulden, aus dem Unteramt Winnenden und dem Zoll bei Göppingen über dreitausend Gulden aufs Jahr zustehen. Gesehen hab ich davon nichts, keinen Kreuzer. Hat man in diesem Land überhaupt eine Vorstellung, wie die
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