Das Mädchen und die Herzogin
Begrüßungs- und Scherzworte flogen hin und her, Gelächter erscholl, hier ein Befehl, dort ein nicht ernst gemeinter Fluch, Hunde bellten, Pferde schnaubten – alles in einem fröhlichen Durcheinander.
Sabina vermochte die Kutsche mit dem Wappen der Familie Thumb nicht zu entdecken, aber vielleicht war sie ja auch längst in der Remise verstaut. Inzwischen war sie felsenfest davon überzeugt, dass Ulrich das alles hier nur arrangiert hatte, um sie bloßzustellen, um sich vor aller Augen an ihr zu rächen. Stunde um Stunde wartete sie daher auf eine bitterböse Überraschung, konnte weder das Festessen noch die Reiterspiele genießen – doch nichts geschah. Erst als die Nacht hereinbrach und auf dem Tanzplatz unter freiem Himmel die Fackeln entzündet wurden, atmete sie auf: Bis auf denalten Erbmarschall und dessen ältesten Sohn war offenbar kein Mitglied der Familie Thumb eingeladen. Was sie indessen noch mehr erleichterte, ohne dass sie es sich selbst jemals zugegeben hätte: Auch Dietrich Speth war nicht dabei – er weilte auf seinem Stammschloss in Zwiefalten, wie Hans von Hutten ihr erzählte, wo seine arme Frau einmal mehr krank daniederlag.
Dafür lernte sie endlich Ulrichs Halbruder kennen, den jungen künftigen Grafen Georg, der von Urach her gekommen war und den Ulrich stets in seiner Nähe behielt. So ganz anders als Ulrich war dieser Vierzehnjährige, so offen und freundlich in seinem Wesen, dass Sabina kaum glauben mochte, dass er vom selben Blut wie ihr Gemahl sein sollte, geschweige denn ein Sohn jenes tollen Heinrichs. Als sich Ulrich einmal zur Teilnahme beim Lanzenstechen hatte überreden lassen, ergriff Sabina die Gelegenheit und suchte das Gespräch mit ihrem Schwager.
«Warum seid Ihr nie am Hofe in Stuttgart?»
«Ach – das ist nicht meine Welt. Ich brauch mehr den rauen Wind der Alb.» Er hatte gelacht. «Außerdem bleibe ich lieber in der Nähe meiner Eltern – Ihr wisst ja sicher – oder?»
Sabina nickte. Das tapfere Lächeln des Jungen trieb ihr fast die Tränen in die Augen. «Und ich dachte schon, Ulrich lasse Euch nicht heraus aus Urach.»
«Nein, nein, so ist es nicht. Meiner Schwester und mir fehlt es an nichts. Unser Bruder sorgt sich sehr um uns, denkt bitte nicht unrecht über ihn.»
Zum Abschluss ihres Gesprächs reichte Georg ihr die Hand und nahm ihr das Versprechen ab, ihn recht bald auf Schloss Urach zu besuchen.
«Auch meine Schwester möchte Euch kennenlernen, so oft schon hat sie davon gesprochen. Ihr müsst wissen – sie kommtnoch seltener fort von Urach als ich. Sie freut sich über jeden lieben Besuch.»
Wie schon bei ihrer Hochzeit wusste Sabina nicht, ob sie ihren Gemahl bewundern oder innerlich schelten sollte für den Aufwand, den er für diese zwei Tage und zwei Nächte betrieben hatte. Nicht nur, dass er eigens ein steinernes Gästehaus hatte bauen lassen, samt Stallungen und Wagenschuppen – entlang der Zielgeraden der Rennstrecke war ein Lager wie für ein ganzes Reiterregiment errichtet, und auch Proviant und Ausrüstung, die Ulrich Wagen für Wagen hergekarrt hatte, hätten einem ganzen Heer als Furage dienen können. Zwischen den Zelten und Lauben waren zahlreiche Garküchen aufgebaut, in denen es von früh bis spät brutzelte und qualmte, und unter den bunten Girlanden boten Holzbänke und Tische ausreichend Platz für die vielen hundert Gäste. Dabei durften die edlen unter ihnen nahe der Rennbahn Platz nehmen, um auch während der Mahlzeiten einen guten Blick auf die Reiterspiele und Artisten zu haben, während das Gesinde und der gemeine Mann sich dahinter, zum Steilhang des Weinbergs hin, drängte. Nur das Beste wurde aufgetragen, Platte um Platte, Schüssel um Schüssel, Krug um Krug, während die Akrobaten und Feuerspucker, die hübschen Tänzerinnen und Musikanten für Unterhaltung sorgten. Dazwischen gab es schaurige Einlagen mit Tanzbären, mit Hunde- und Hahnenkämpfen.
Am zweiten Tag, nach einem ausgiebigen Morgenmahl, sollte der große Rosslauf stattfinden, der über eine ganze Deutsche Meile ging und mit seinen teils recht heimtückischen Hindernissen dem einen oder anderen Reiter gewiss zum Verhängnis werden würde. Durch die zahlreichen Übungsrennen und Ritterspiele war der Boden bereits völligdurchpflügt – zum Heuen würde diese Weide sicher nicht mehr taugen!
Als sich die gut zwei Dutzend Teilnehmer nach und nach erhoben, um sich für den Wettlauf zu rüsten, trat Ulrich zu Sabina an den Damentisch und fragte
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