Das Maedchen von Atlantis
sein
Fieber und den daraus resultierenden Alptraum. Wenn es ein Alptraum gewesen war.
Mike fühlte sich immer verwirrter. Er konnte sich
jetzt kaum noch an Einzelheiten entsinnen, aber je
mehr sich seine Erinnerungen verwischten, desto unheimlicher kam ihm sein Traum vor. Er hatte niemals etwas erlebt, was auch nur annähernd so sonderbar gewesen war.
Allerdings hatte er auch niemals zuvor eine jahrtausendealte Kuppel auf dem Meeresgrund gefunden, in
der ein totes Mädchen lag, das von einem schwarzen
Angorakater bewacht wurde ...
Wahrscheinlich war das die Erklärung. Zusammen
mit dem Fieber, das die Entzündung in seiner Hand
ausgelöst hatte, mußten die Ereignisse des zurückliegenden Tages seine Phantasie ja dazu anregen, Purzelbäume zu schlagen.
Singh kehrte zurück. Er hielt ein Glas in der rechten
Hand und gab Mike gar nicht erst die Chance, sich zu
widersetzen, sondern flößte ihm fast gewaltsam ein
paar Schlucke eines bitteren Trunks ein. Mike
schluckte die Brühe tapfer hinunter, konnte
aber
nicht verhindern, daß sich seine Lippen angeekelt
verzogen, als Singh das Glas endlich zurücknahm.
»Es wird Euch helfen«, sagte Singh. Er lächelte flüchtig. »Ihr wißt ja - alles was wirklich schlecht
schmeckt, ist auch gesund.« Behutsam stellte er das
Glas auf den Boden, drückte Mike mit sanfter Gewalt
auf das Bett zurück und deckte ihn zu, als wäre er ein
kleines Kind.
»Schlaft jetzt, Herr«, sagte er. »Ich werde Trautman
und den anderen sagen, daß sie Euch nicht wecken
sollen.«
»Das kommt überhaupt nicht in Frage«, protestierte
Mike. »Ich werde -«
»- niemandem eine Hilfe sein, wenn Ihr Euch überanstrengt und zusammenbrecht«, fiel ihm Singh ins Wort.
»Vielleicht sogar draußen im Meer oder in der Kuppel. Schlaft Euch gründlich aus, und vielleicht ist das
Fieber dann schon von selbst verschwunden.«
Mike wollte ihm seine entzündete Hand zeigen, doch
irgend etwas in ihm sträubte sich. Im Gegenteil: Fast
gegen seinen Willen hielt er die Hand sorgsam unter
der Bettdecke versteckt. Er wußte nicht warum, aber
etwas sagte ihm, daß es besser war, wenn Singh die
Wunde nicht zu Gesicht bekam.
»Soll ich hierbleiben?« erkundigte sich Singh.
Mike schüttelte den Kopf. Plötzlich war er wieder müde; furchtbar müde. Er fragte sich, was wohl in dem
Glas gewesen war, dessen Inhalt Singh ihm eingeflößt
hatte, aber selbst dieser Gedanke entglitt ihm sofort
wieder. Er wollte nur noch schlafen.
»Das ... ist nicht nötig«, murmelte er. Und nur wenige
Augenblicke später war er bereits wieder eingeschlafen. Dieses Mal träumte er nicht.
Singh machte seine Drohung wahr und weckte ihn
nicht. Und obwohl Mikes erster Gedanke nach dem
Aufwachen Verärgerung darüber war, empfand er
auch zugleich tiefe Dankbarkeit, denn er fühlte sich
tatsächlich ausgeruht und wohl wie schon lange nicht
mehr. Entweder der Schlaf oder Singhs Mittel hatte
das Fieber besiegt. Seine Hand tat noch immer ein
wenig weh, doch als er sie betrachtete, stellte er fest,
daß die Schwellung deutlich zurückgegangen war.
Er mußte tatsächlich sehr viel länger als die anderen
geschlafen haben, denn als er seine Kabine verließ
und in den Salon hinaufschlurfte, fand er Singh und
seine Freunde zusammen an dem großen Tisch am
Aussichtsfenster sitzen und essen. Sein erster Blick
ging nach draußen, aber die schwache Hoffnung, daß
sich auch die Katastrophe von gestern als Teil des
Alptraumes der vergangenen Nacht erweisen mochte,
erfüllte sich nicht. Vor dem Fenster herrschte noch
immer absolute Dunkelheit. Mike vertrieb den Gedanken mit Mühe.
Der Raum war so behaglich mit Plüsch ausgestattet,
daß man glatt hätte vergessen können, sich an Bord eines Unterseebootes zu befinden, wären nicht in seinem
hinteren Drittel das große Steuerruder und die beiden
Instrumentenpulte gewesen. Es gab Bücherregale, sogar eine Bar, eine Chaiselongue, und mehrere bequeme
Ledersessel gruppierten sich um einen Tisch.
In einem der Sessel saß Trautman. Sein ohnehin hageres Gesicht war eingefallen, und unter seinen Augen
lagen dunkle Schatten. Er sah erschöpft aus, als hätte
er die ganze Nacht durchgearbeitet.
Die anderen empfingen Mike mit großem Hallo und
einigen spöttischen Bemerkungen über seine
Verspätung, und als Mike einen Blick Singhs auffing,
wurde ihm klar, daß der Sikh nichts über die Ereignisse der vergangenen Nacht erzählt hatte. Er war
ihm sehr dankbar dafür.
So ließ er den gutmütigen Spott der anderen über sich
ergehen,
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