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Das Mädchen von San Marco (German Edition)

Das Mädchen von San Marco (German Edition)

Titel: Das Mädchen von San Marco (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie Hickman
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wie Ihr ihn nennt, ist mir nicht bekannt«, erklärte Annetta schließlich.
    »Man hat Euch gesehen.«
    »Gesehen – wo?«
    »Im Garten.«
    »Ich halte mich im Garten zur Kontemplation und zum Gebet auf – wie wir alle.« Annetta funkelte die Nonne empört an. »Ich habe keinen Eindringling gesehen, während ich im Garten war. Und wer etwas anderes behauptet, der lügt.«
    Eine Zeitlang standen sich die beiden Frauen stumm gegenüber.
    »Es geschah gegen meinen Willen, wie Ihr wohl wisst.«
    »Ich verstehe Euch nicht. Was geschah gegen Euren Willen?«, fragte Annetta mit unschuldiger Miene. Vorläufig, beschloss sie, würde sie sich nicht provozieren lassen.
    »Euch zu so günstigen Bedingungen zurückkommen zu lassen.«
    »Günstige Bedingungen?«
    »Ihr wisst sehr gut, was ich meine. Als Ihr das erste Mal auf Betreiben Eurer Mutter in dieses Kloster kamt, wart Ihr nur eine conversa, eine Dienerin. Und nun … Ich habe gehört, dass Ihr das Gelübde abzulegen wünscht. Eine Chorschwester wollt Ihr werden, auf gleicher Stufe mit uns anderen wollt Ihr stehen, mit Damen von Rang, Damen aus den besten Familien Venedigs.« Suor Purificacion sprach so leise, dass man sie kaum noch verstand. »Ihr! Die Ihr nicht besser seid als eine gewöhnliche –«
    »Ich bedauere, wenn ich Euch gekränkt haben sollte, suora«, unterbrach Annetta sie, die keine Lust hatte, sich beleidigen zu lassen. Sie konnte schließlich nichts dafür, dass sie in einem Bordell geboren wurde. »Wie Ihr sicherlich wisst, war es die Äbtissin selbst, die zugestimmt hat. Ich bringe immerhin eine beträchtliche Mitgift ein, die das Kloster gut gebrauchen kann. Und der Patriarch hat unsere Ehrwürdige Äbtissin daran erinnert, dass wir im Angesicht Gottes alle gleich sind.«
    »Die Höhe Eurer Mitgift ist völlig unerheblich. Eure Kenntnis weltlicher Dinge hingegen, suora, ist höchst unschicklich.«
    »Unschicklich? Wie das?« Annetta blickte mit gerunzelten Brauen auf. Das Gespräch hatte eine unerwartete Wendung genommen. »Was hätte ich sonst tun sollen? Ich kam als Kind hierher, bin hier aufgewachsen. Ich hatte sonst keinen Ort, an den ich gehen konnte, das wisst Ihr genau.«
    »Ihr verstoßt gegen die Armutsregel.«
    »Was das betrifft, so befinde ich mich in guter Gesellschaft«, sagte Annetta spitz und mit einem gezielten Blick auf den silbernen Knauf am Gehstock der älteren Nonne.
    »Ihr bringt die anderen jungen Frauen auf Abwege. Sie sind sehr wild, sehr ungebärdig geworden, seit Ihr wieder hier seid. Selbst die junge Eufemia, die nur eine conversa ist. Ihr gebt das Beispiel und sie folgen.«
    »Aber ich –«
    »Entgegen unseren Regeln bewahrt Ihr Speisen und Getränke in Eurer Zelle auf, und sie kommen zu Euch, um mit Euch gemeinsam zu nähen und zu lesen. Sie schlafen während der Gebete und schwatzen in der Kapelle miteinander. Wie Ihr wisst, verstößt all dies gegen die Regeln unserer Gemeinschaft. Freundschaft, Suor Annetta, mag an jenem Ort der Unzucht möglich gewesen sein, von dem Ihr kommt, aber hier nicht, das müsst Ihr begreifen.«
    »Ihr wollt die Freundschaft verbieten?«
    »Freundschaft unter einzelnen Personen ist verboten, natürlich. Wenn man eine bestimmte Person einer anderen vorzieht, ist dies stets der Freundschaft innerhalb des Ganzen abträglich, und unser Ideal ist die allumfassende Güte. Das könnt Ihr doch gewiss verstehen?«
    »Aber unsere Ehrwürdige Äbtissin hat immer –«
    Suor Purificacion hob abwehrend die Hand, um ihr Einhalt zu gebieten. »Unsere Ehrwürdige Mutter ist alt, sehr alt, und wird nicht mehr lange in dieser Welt weilen. Und wenn sie von uns gegangen ist, werden sich viele Dinge ändern.«
    Die beiden Frauen standen sich feindselig gegenüber. Annetta sah, dass ein Spatz in den Raum geflogen war und mit schräg gelegtem Kopf von einem der geschwärzten Deckenbalken auf sie herabspähte.
    »Sagt mir, suora …«, ergriff Suor Purificacion wieder das Wort, und diesmal merkte man ihr eine kleine Unsicherheit an. »Wie war es dort?«
    »Wo meint ihr?«
    »An jenem Ort … im Palast des Sultans.«
    Annetta tat, als würde sie nachdenken. »Er war … sehr groß.«
    Die dunklen Augen der älteren Nonne verrieten nichts. »Was meint Ihr mit groß?«, fragte sie.
    »Ich meine, dass viele Frauen dort lebten, Suor Purificacion. Mehr als hier.«
    »Ach.«
    »Und das Essen war anders.«
    »Anders?« In ihrem Bemühen, Annetta Informationen zu entlocken, wirkte Suor Purificacion fast einfältig.

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