Das Mädchen von San Marco (German Edition)
darf, habt Ihr das gehört?«
Der Glasstöpsel klirrte leise, als Memmo die Karaffe verschloss.
Sollte er Constanza erwähnen? Sein sechster Sinn riet Paul davon ab.
»Ich dachte, jeder Kaufmann am Rialto wüsste davon«, antwortete er betont gleichgültig. »Ein Edelsteinhändler, mit dem ich bekannt bin, erwähnte, dass der Mann, der ihn nach Venedig gebracht hatte, ihn beim Kartenspiel verlor, bevor er einen Käufer fand. Deshalb vermute ich, dass dies hier geschehen ist.«
Hatte Memmo gerade Francesco angeblickt und kaum wahrnehmbar den Kopf geschüttelt? Paul war sich nicht sicher, denn in diesem Moment erschien ein Diener und flüsterte Memmo etwas ins Ohr.
»Entschuldigt mich, es wird nicht lange dauern.«
Aus dem großen Salon trat nun noch ein weiterer maskierter Spieler in den Korridor. Memmo zogt den schwarzen Samtvorhang zur Seite und komplimentierte ihn durch die dahinter liegende Tür. Danach zog er den Vorhang sofort wieder zu.
Von der Schwelle war ein Hüsteln zu vernehmen. Paul blickte sich um und war überrascht, Carew zu sehen – er war so in seine Unterhaltung mit dem Cavaliere vertieft gewesen, dass er Carew ganz vergessen hatte.
»Was ist?«, fragte er ungeduldig. »Was in Gottes Namen tust du denn noch hier?«
»Ich warte auf Euch, Sir«, erwiderte Carew höflich, aber mit ironischem Unterton, »ich warte darauf, Euch nach Hause zu geleiten.«
Paul wandte sich Francesco zu. Sein Wunsch, sich aus den Klauen des alten Freundes zu befreien und dem ridotto zu entkommen, war längst vergessen.
»Dann ist es also wahr? Es geht um den Diamanten?«
»Ja, es ist wahr.« Francesco, der es sich auf einem Stuhl bequem gemacht hatte, trank gemächlich sein Glas leer.
»Ein Mann aus Konstantinopel soll ihn hergebracht haben.« Jetzt fiel ihm alles wieder ein, was Prospero erzählt hatte. Der Blaue Stein des Sultans, der magische Stein. Einhundert Karat Mondlicht.
»Davon weiß ich nichts. Er sah nicht aus wie die Türken, die ich kenne. Eher wie ein entlaufener Sklave. Obwohl, es stimmt schon, es gab Gerede …«
»Gerede worüber?«
»… dass er in den Diensten der Sultansmutter gestanden habe.«
»Der Sultansmutter?«, fragte Paul in plötzlicher Erregung. »Du meinst die alte Königin, die letztes Jahr gestorben ist?«
»Ich glaube ja. Sie hatte so einen seltsamen Namen, wie lautete er noch …«
»Die Valide?«
»Ja, richtig. Die Valide.«
»Und der Diamant …« Paul strich sich nervös über die Haare. »Hast du ihn gesehen?«
»Ja.« Francesco warf einen raschen Blick auf den geschlossenen Vorhang. »Ja, ich habe ihn gesehen.«
Paul folgte seinem Blick. »Was, er ist hier?« Der Gedanke, dass der Diamant so unglaublich nahe war und beim Kartenspiel gewonnen werden konnte, versetzte Paul in eine kaum erträgliche Anspannung. Aber nein, er durfte sich nicht hinreißen lassen. Er durfte nicht einmal daran denken, schließlich hatte er sein Wort gegeben. Paul spürte, wie ihm die Kehle eng wurde, als würgte ihn jemand. »Er ist wirklich hier?«
»Ja«, bestätigte Francesco.
Als hätten sie sich abgesprochen, unterhielten sie sich auf einmal im Flüsterton. Wieder hustete jemand an der Tür. Du lieber Gott, war Carew denn immer noch da? Warum war der Kerl immer dann in der Nähe, wenn man ihn nicht um sich haben wollte, und nie da, wenn man ihn brauchte? Das war Paul ein Rätsel. Er ignorierte ihn und fragte Francesco: »Ob der Cavaliere mir den Diamanten wohl zeigen würde?« Der Wunsch, den Stein zu sehen, war innerhalb von Minuten ins Unermessliche gewachsen
»Es geht hier um höchste Einsätze, die höchsten, um die in Venedig je gespielt wurde.« Francesco wirkte im Kerzenschein grau vor Müdigkeit. »Ich glaube nicht, dass du verstehst, was das bedeutet. Ganze Vermögen werden die Besitzer wechseln, werden für immer verloren gehen. Die Behörden versuchen sowieso, das ridotto zu schließen, aber wenn sie davon etwas mitbekämen … Zuanne würde verhaftet werden, vielleicht sogar ins Exil geschickt.«
Paul spürte das vertraute Kribbeln. »Aber angenommen, ich würde am Spiel teilnehmen?« Mittlerweile war es ihm gleichgültig, ob Carew ihn hörte oder nicht. »Würde er ihn mir dann zeigen?«
Francesco schüttelte den Kopf. »Er wird dich nie mitmachen lassen, nicht bei diesem Spiel.«
»Warum nicht?« Paul brach der Schweiß aus, und er spürte, wie sein Puls raste.
»Sei kein Narr, Pindar, du hast schon ein Vermögen verloren. Jeder weiß das.«
Hastig
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