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Das Magdalena-Evangelium: Roman

Das Magdalena-Evangelium: Roman

Titel: Das Magdalena-Evangelium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McGowan
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in den Medienraum zu kommen. »Wo wir so weit gekommen sind, möchte ich dir noch ein paar Dinge zeigen, auf die ich bei meinen Recherchen gestoßen bin.«
    Maureen sagte, sie werde in einer Stunde dort sein, und folgte Sinclair nach draußen. Die letzten Sonnenstrahlen kämpften gegen das Zwielicht des verdämmernden Tages, während sie zum Tor der Gärten der Dreifaltigkeit spazierten.
    »Erinnern Sie sich an den dritten Garten? Der, den Sie neulich nicht mehr besichtigen konnten? Kommen Sie, jetzt zeige ich ihn Ihnen.«
    Sinclair nahm Maureens Arm und führte sie um den Magdalena-Brunnenherum in den ersten Bogengang zur Linken. Ein Marmorplattenweg führte in einen kunstvoll angelegten Garten, der an einen italienischen Park erinnerte.
    »Es sieht sehr … römisch aus«, bemerkte Maureen.
    »Ja. Wir wissen sehr wenig über den jungen Mann Johannes-Josef. Soweit ich informiert bin, gibt es keine Aufzeichnungen über ihn – oder zumindest gab es keine bis heute. Wir haben nur eine Hand voll hiesiger Legenden, die von Generation zu Generation überliefert worden sind.«
    »Und was sagen diese Legenden?«
    »Nur, dass er nicht Jesu Sohn war, sondern der des Johannes. Wir kannten bereits seinen richtigen Namen, obwohl es einige Legenden gibt, die ihn Johannes-Jeshua nennen oder sogar Johannes-Markus. Der Überlieferung nach ging er irgendwann nach Rom und ließ seine Mutter und seine Geschwister in Frankreich zurück. Ob es sein eigener Wille war oder ob andere es so beschlossen haben, darüber kann man nur spekulieren. Und wir wissen auch nicht, was aus ihm geworden ist. Es gibt zwei Hauptannahmen.«
    Sinclair führte Maureen zu einer Marmorstatue im Renaissancestil, die einen jungen Mann darstellte. Er stand vor einem großen Kreuz, doch in der Hand hielt er einen Schädel.
    »Er wurde von Jesus aufgezogen, es wäre also möglich, dass er Teil der neu erblühten Christengemeinde in Rom wurde. Aber wenn dem so war, hat er vermutlich einen ebenso vorzeitigen Tod erlitten wie die Frühchristen, die von Nero ausgelöscht wurden. Der römische Historiker Tacitus berichtet ja, dass Nero ›mit aller Grausamkeit die berüchtigte, verkommene Schar der Christen verfolgte‹, und wir wissen, dass es stimmt, weil wir die Berichte über Petrus’ Tod haben.«
    »Sie glauben also, dass er den Märtyrertod gestorben ist?«
    »Gut möglich, vielleicht wurde er sogar zusammen mit Petrus gekreuzigt. Kaum vorstellbar, dass jemand mit Johannes-Josefs Stammbaum etwas Geringeres gewesen sein sollte als ein Führer.Und die Führer wurden sämtlich hingerichtet. Aber es gibt noch eine andere Annahme.«
    Sinclair deutete auf den Schädel in Johannes-Josefs Marmorhand. »Dies ist die andere Möglichkeit. In einer Überlieferung heißt es, die Fanatiker unter Johannes’ Anhängern hätten seinen Sohn in Rom aufgesucht und ihn davon überzeugt, dass die Christen ihm seinen rechtmäßigen Platz gestohlen hätten. Johannes sei der einzig wahre Messias gewesen, und Johannes-Josef als seinem einzigen Sohn stehe der Thron zu, der Thron des Gesalbten. Manche sagen, Johannes-Josef habe sich gegen seine Mutter und seine Familie gewandt und die Lehren der Anhänger seines Vaters angenommen. Wir wissen nicht, wohin er letztlich gegangen ist, aber es gibt eine bedeutende Sekte von Johannes-Anbetern im Iran und im Irak, die Mandäer. Es sind friedliche Leute, die sich aber strenge Gebote auferlegen und dem Glauben anhängen, dass Johannes der einzig wahre Messias gewesen ist. Es ist möglich, dass sie direkte Nachkommen sind, dass Johannes-Josef oder seine Kinder weiter nach Osten gezogen sind, nachdem sich unter den Frühchristen ein Schisma vollzogen hatte. Und auch Sie haben ja jetzt von dem Orden der Gerechten gehört, der behauptet, in der westlichen Welt das wahre Erbe Johannes des Täufers zu vertreten.«
    Maureen hatte konzentriert auf den Schädel geschaut, während sie Sinclairs Ausführungen lauschte. Nun kam ihr ein Gedanke. »Es ist Johannes!«, rief sie aus. »Der Schädel – er ist in der gesamten Ikonographie der Maria Magdalena zu finden. Immer wird sie mit einem Schädel gezeigt, und niemand hat mir das je erklären können. Immer nur diese vagen Anspielungen auf Reue und Buße! Der Schädel stehe eben für ihr Büßertum, hieß es. Aber warum? Jetzt verstehe ich es: Maria wurde mit dem Schädel abgebildet, weil sie für Johannes Buße tat – und im wahrsten Sinne des Wortes mit Johannes’ Totenschädel.«
    Sinclair nickte.

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