Das Magdalena-Evangelium: Roman
seine welterschütternden Neuigkeiten war nicht das, was er erwartet hatte. »Nun gut. Vielen Dank für die Information«, sagte der Beamte des Vatikans mit abschließender Geste. »Sie sind nun frei, Ihren Pflichten nachzugehen.«
»Aber Euer Eminenz, wollen Sie denn nicht wissen, was genau sie entdeckt haben?«
Kardinal DeCaro musterte den irischen Geistlichen über den Rand seiner Lesebrille hinweg. »Quellen, die durch keinerlei Beweismaterial erhärtet werden, interessieren mich nicht. Gute Nacht, Bruder in Christo. Gehen Sie mit Gottes Segen.«
Der Kardinal wandte dem Bischof den Rücken zu und widmete sich einem Bündel Papiere, als hätte O’Connor gerade so etwas Banales von sich gegeben wie die Tatsache, dass die Sonne morgens aufgeht. Wo blieb denn das Erschrecken? Die Sorge? Vielleicht gar die Dankbarkeit?
Stotternd vor Zorn murmelte Bischof Magnus einen Abschiedsgruß und watschelte zur Tür hinaus. Mit denen in Romwar er fertig. Er würde nach Frankreich reisen. Und dann würde er es ihnen zeigen.
Er ließ einen sehr nachdenklichen Kardinal DeCaro zurück. Denn eigentlich sollte – und konnte – niemand wie O’Connor zu diesem Zeitpunkt etwas über die Schriftrollen erfahren haben. Zumindest nicht über deren Inhalt.
Château des Pommes Bleues
28. Juni 2005
Wie versprochen begab sich Maureen nach dem Spaziergang mit Sinclair zu Tammy in den Medienraum. Vorher schaute sie noch einmal im Arbeitszimmer nach Peter, der in die Übersetzung des zweiten Buches vertieft war. Ihr Cousin blickte auf und gab ein unverständliches Grunzen von sich. Seine Augen waren glasig vor Anstrengung. Maureen wusste, dass sie ihn besser nicht unterbrechen sollte, und begab sich zu Tammy.
Im übrigen Château herrschte Hochstimmung, ein Gefühl, als ob man sich an einem historischen Wendepunkt befand. Maureen überlegte, wie viel die Dienstboten bereits wussten, nahm jedoch an, dass sie allesamt loyal und zuverlässig waren. Roland und Sinclair saßen hinter verschlossenen Türen zusammen, um verschärfte Sicherheitsmaßnahmen für die Dauer der Übersetzung des Evangeliums zu besprechen und eine Entscheidung über weitere Schritte zu fällen. Niemand hatte bis jetzt offen darüber geredet, und Maureen war neugierig, was Sinclair vorhatte – und wann er sein Vorhaben in die Tat umzusetzen gedachte.
»Komm rein, komm rein«, winkte Tammy, als sie Maureen in der Tür stehen sah.
Maureen plumpste neben der Freundin auf die Couch und ließ den Kopf mit einem Stöhnen zurückfallen.
»Oje – was ist denn los?«
Maureen lächelte Tammy an. »Och, nichts und alles. Ich hab gerade nur gedacht, ob mein Leben je wieder so sein wird wie vorher.«
Tammys Antwort war ihr kehliges Lachen. »Nein. Du solltest dich also besser drauf einstellen.« Sie nahm Maureens Hand und fuhr in sanfterem Ton fort: »Hör zu, ich weiß, wie neu das alles für dich ist und wie viel du in so kurzer Zeit verdauen musstest. Ich möchte dir nur sagen, dass du meine Heldin bist, okay? Und Peter mein Held, wo wir grade dabei sind.«
»Danke.« Maureen seufzte. »Aber glaubst du wirklich, dass die Welt für diesen Umsturz ihres heiligen Glaubens bereit ist? Ich glaube das nämlich nicht.«
»Ich hingegen schon«, sagte Tammy mit ihrer üblichen Gewissheit. »Ich denke, es gibt keinen besseren Zeitpunkt. Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert. Heutzutage werden keine Ketzer mehr verbrannt.«
»Nein, sie kriegen nur noch den Schädel eingeschlagen.« Zur Bekräftigung rieb Maureen die Stelle an ihrem Hinterkopf.
»Hast ja recht. Sorry.«
»War nicht so gemeint. Eigentlich hab ich mich unglaublich schnell erholt.« Sie machte eine Handbewegung zu dem Breitbildschirm. »Woran arbeitest du gerade?«
»Neulich sind wir ja abgelenkt worden, und ich hab dir den Rest nicht mehr zeigen können. Aber jetzt bin ich mehr denn je überzeugt, dass du es interessant finden wirst.«
Tammy hatte schon die Fernbedienung in der Hand. Sie richtete sie auf den Bildschirm. »Wir haben uns Darstellungen von Nachkommen aus der Blutlinie angesehen, weißt du noch?« Sie ließ die Pausentaste los, und Porträts erschienen auf der Mattscheibe. »König Ferdinand von Spanien. Deine spezielle Freundin Lucrezia Borgia. Maria Stuart, Königin der Schotten. Bonnie Prince Charlie. Kaiserin Maria Theresia und ihre berühmte Tochter, Marie Antoinette. Sir Isaac Newton.« Sie drückte die Pausentaste und fror das Bild mehrerer amerikanischerPräsidenten ein. »Und nun
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