Das Magdalena-Vermächtnis: Roman
über Santa Trinità erhebt und den schönsten Ausblick bietet, den ich kenne. Viel Schlaf finde ich nicht, wenn ich in Florenz bin, aber ich weiß, dass ich mich stets in bester Gesellschaft befinde.
Über Lucrezia Donatis Leben ist wenig bekannt. Überhaupt ist das Leben von Frauen in der Renaissance spärlich dokumentiert, sieht man von Monarchinnen ab. Berücksichtigt man überdies, dass Lorenzo selbst vermutlich daran gelegen war, Lucrezia möglichst aus dem Fokus der Öffentlichkeit zu halten, könnte man durchaus von einer absichtlichen Verschleierung sprechen. Dasselbe Prinzip greift bei der Tätigkeit von Geheimgesellschaften: Dass ihre Existenz nicht schriftlich belegt ist, muss nichtheißen, dass es sie nicht gibt. Genau das ist ja Sinn und Zweck der Geheimhaltung.
Und was Colombina angeht – ich habe sie in der Malerei und Dichtung ihrer Zeit gefunden und versucht, sie mit den Augen Lorenzos und Sandros zu sehen und zu spüren. Und es erging mir wie zuvor mit Maria Magdalena und Mathilde: Colombina wurde immer wirklicher, lebendiger, und schließlich gewann meine Leidenschaft für diese Lichtgestalt die Oberhand, während ich über ihre Zeit schrieb.
Ich betrachte Geschichte als ein Mosaik, und für mich ist sie immer ein sehr schönes Mosaik gewesen. Kleine Teile finden ihren Platz und erhellen mehr und mehr das Gesamtbild. Oft verändern einzelne Sätze aus Nachschlagewerken meine Sicht auf Figuren und deren Leben. In einem Buch über die Kunstsammlung Lorenzos wurde erwähnt, dass Lucrezias Sohn verzweifelt nach einem verlorenen Bildnis seiner Mutter gesucht habe, das von Lorenzo in Auftrag gegeben worden war und das sich in seiner Privatsammlung befand. Dies führte zu einer Untersuchung, wer der Vater des jungen Mannes gewesen sein könnte. Ich kann zwar nicht beweisen, dass Lucrezia Donati einen Sohn von Lorenzo de’ Medici hatte, aber ich glaube fest daran.
Ein weiterer kostbarer Stein in meinem Mosaik stammt aus einer Kunstzeitschrift, in der es hieß, der Originaltitel von Botticellis »Primavera« habe vermutlich »Die Zeit kehrt wieder« gelautet. Wunderbar! Interessant ist auch Lorenzos Banner, das er auf Turnieren trug. Warum dieser Förderer der italienischen Gemeinsprache unbedingt ein Motto in mittelalterlichem Französisch brauchte, hat Historiker fünfhundert Jahre lang beschäftigt. Vermutlich haben sie die Bedeutung der Geheimgesellschaften nicht ausreichend berücksichtigt und auch nicht den Orden oder die Verbindung der Medici zur Ketzerei. Lorenzos Banner hat mich dazu angeregt, sowohl der Verbindung zwischen Cosimo und René d’ Anjou nachzugehen als auch Pieros und Lorenzos enger Beziehung zum Franzosenkönig Ludwig XI., der die beidenMedici in seinen privaten Briefen unerklärlicherweise mit »Cousin« anspricht. Lorenzos Banner führte mich überdies unerwartet zu Anne Boleyn und Heinrich VIII. Ihre erstaunliche und gänzlich unbekannte Geschichte werde ich im vierten Band dieser Reihe erzählen. Solche Elemente in Verbindung zu bringen und zu sehen, wie sie sich nahtlos ineinanderfügen, weckt in mir immer wieder Begeisterung.
Aus Platzgründen musste ich Teile der komplexen Pazzi-Verschwörung streichen. Mir blieb keine andere Wahl, als einige Schurken, die am Attentat auf Giuliano und dem Mordversuch an Lorenzo beteiligt waren, unerwähnt zu lassen, und ich entschuldige mich im Voraus bei allen, die so etwas befremdlich finden. Ich habe mich auf die Personen konzentriert, die meiner Meinung nach den Kern der Verschwörung bildeten, um an ihrem Beispiel das Verbrechen in seiner ganzen Grausamkeit darzustellen. Dass ein so feiger Angriff während einer Messe in einer Kirche verübt wurde, dass er vom Papst genehmigt und von einem Erzbischof geplant wurde, der Priester als Schergen benutzte, ist eine der schlimmsten Scheußlichkeiten der Geschichte, über die dennoch außerhalb von Medici-Biografien wenig berichtet wird. Besonders berührte mich die Ironie, dass hier der Meuchelmörder als Stimme der Vernunft agiert; das wissen wir durch Monteseccos Beichte kurz vor seiner Hinrichtung. Und ich war tief bewegt vom Mut des verwundeten Lorenzo, der nur wenige Stunden nach dem Mord an seinem Bruder vor den Mob trat und die aufgebrachte Menge beruhigte.
Historiker und Kunsthistoriker, die sich auf die Renaissance spezialisiert haben, werden mich vermutlich mit Tomaten bewerfen, weil ich sämtliche akademischen Erkenntnisse ad absurdum geführt habe. Sollen sie ruhig. Sie
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