Das Magdalena-Vermächtnis: Roman
toskanischen Familie, in die sogar Dante eingeheiratet hat. Alle alten toskanischen Familien gehören zur Blutlinie, Marsilio, das dürfen wir nie vergessen. Die drei heiligen Blutdynastien haben sich sämtlich in der Toskana und in Umbrien angesiedelt. Es ist die einzige Region Europas, wo dies geschehen ist. Deshalb leben wir hier auf geheiligtem Boden.«
»Ja, und deshalb gibt es hier so viele blutige Fehden und Familienrivalitäten«, warf Ficino spitz ein.
»Das stimmt leider auch. Aber genau das wollen wir durch Vermittlung von Heiraten zwischen den mächtigen Familien ja beheben. Wer hätte je gedacht, dass die Albizzi und die Medici sich eines Tages in einer Familie vereinigen würden? Oder die Pazzi? Aber es geschieht. Vielleicht können wir auch einen Donati überzeugen, seine Tochter zur Ehe mit Lorenzo freizugeben.«
Traurig schüttelte Ficino den Kopf. »Wir könnten es versuchen, aber ich glaube nicht an einen Erfolg. Nun ja, wenigstens gibt es keine Fehde zwischen diesen beiden Familien. Die Donati und die Medici sind friedliche Nachbarn, obwohl man den Donati nicht trauen kann: Sie sind nicht nur Katholiken, sondern auch sehr standesbewusst. Eine schwierige Kombination. Denn obwohl die Medici eine der wohlhabendsten und einflussreichsten Familien Europas sind …«
»Und die wahren Könige dieses Landes«, mahnte Fra Francesco, indem er auf den alten und sagenumwobenen Stammbaum der Familie anspielte wie auch auf die besonderen Umstände bei Lorenzos Geburt.
»Ja, aber was das angeht, würden die adeligen Donati uns niemals beipflichten. Für sie sind die Medici Kaufleute, die in der Hierarchie weit unter ihnen stehen.«
»Dieses Mädchen … es ist sehr klug, sagst du?«
Ficino nickte. »Sie ist Lorenzo ebenbürtig, Meister. Ich sage es niemandem außer Euch, aber es ist die Wahrheit. Abgesehen von ihrem Horoskop ist sie ohnehin der Zwilling seiner Seele. Ich sehe es daran, wie sie lernt. Und ich erkenne es an den Fächern, in denen sie sich hervortut. Manchmal sind die beiden einander so ähnlich, dass ich es beängstigend finde. Wenn sie zusammen sind, gibt es eine makellose Symmetrie und Vollkommenheit zwischen ihnen. Und doch sehe ich, dass es nicht ihre Bestimmung ist, zusammen zu sein. Und das wiederum bringt mich dazu, Fragen an Gott und den Glauben zu stellen.«
Fra Francesco nickte. »Das ist verständlich, mein Junge, nur zu verständlich. Ich habe in meinem langen Leben viele Dinge gesehen, die mich am Willen Gottes zweifeln lassen, und meist ging es um die Liebe. Warum werden zwei Seelen füreinander geschaffen und müssen doch getrennt sein? Das ist der Kampf der Liebe, Marsilio. Der Kampf der Liebe in dem Traum, den wir Leben nennen. Aber alles hat einen Sinn, und unser Sinn ist, nach der Einheit zu streben. Wir werden geprüft, ob wir den Mut haben, gegen die Illusion anzukämpfen und die Liebe am Ende des Traumes zu finden. Wenn wir das schaffen, wird aus dem Traum Wirklichkeit.«
Ficino, der noch nie verliebt gewesen war, nickte bloß. Er war ein Einzelgänger, der sich bei seinen Büchern am wohlsten fühlte. Er wurde nicht von den Sehnsüchten der Liebe abgelenkt; er begehrte keine Liebe.
»Irdische Liebe ist nicht der Weg für jeden Menschen«, fuhrFra Francesco fort. »Es gibt eine ganze Reihe Himmlischer, die auf die Erde gekommen sind, um allein zu leben und zu arbeiten, darunter auch du. Du sehnst dich nicht nach Liebe und suchst nicht nach deiner verlorenen Hälfte, weil es auf Erden keine für dich gibt. Unsere Mutter und unser Vater im Himmel machen keine Fehler. Sie würden dich niemals ohne Gefährtin auf die Erde schicken und dir gleichzeitig die Sehnsucht nach ihr einpflanzen. Stattdessen schicken sie dich allein, damit du dich auf dein Werk konzentrieren kannst, denn das ist deine wahre Liebe.« Der Meister lachte, und die gezackte Narbe unter seinem Bart zuckte. »Deshalb ist es deine Aufgabe, Sprachen und die Klassiker zu lehren, während meine Aufgabe darin besteht, anderen etwas über die Liebe beizubringen. Was uns zu unserem derzeitigen Problem zurückbringt: Was sollen wir mit dieser neuen Verheißenen machen, die Lorenzos wahre Liebe ist? Hast du schon mit Cosimo darüber gesprochen?«
Ficino schüttelte den Kopf. »Mit Cosimos Gesundheit steht es nicht zum Besten. Ich möchte ihm diese Last nicht aufbürden, bevor Ihr sicher seid, dass Colombina diejenige ist, für die wir sie halten.«
»Nun, dann bleibt nur noch eines zu tun. Bring sie so rasch
Weitere Kostenlose Bücher