Das Magische Labyrinth
zur Probe ein paar Mal die Dampfmaschinengewehre ab. Auch die pneumatischen Hebevorrichtungen für die Horizontal- und Vertikalbewegung der 88-mm-Kanonen wurden getestet. Man brachte die Raketenwerfer in Stellung und unterzog die dazugehörige Nachschubanlage einer eingehenden Überprüfung. Auch die mit Druckluft arbeitende Kanone wurde getestet. Nachdem man die Flugzeuge voll unter Waffen gestellt hatte, überprüfte man deren Funktionen. Die Beiboote wurden ebenfalls ausgerüstet. Man checkte die Radargeräte, den Sonar und die Infrarotdetektoren. Die Enterbrücken wurden ausgefahren und wieder eingezogen. Jede Station hatte ein Dutzend Übungen abzuwickeln.
Nachdem man noch am gleichen Abend den Batacitor und die Gräle aufgefüllt hatte, lief die Nicht vermietbar aus und beschrieb einen zehn Kilometer umfassenden Kreis. Unterwegs wurden weitere Übungen gemacht. Die Radargeräte kämmten die Umgebung ab und meldeten, daß die Rex sich nicht in Reichweite befand.
Bevor die Mannschaft zu Bett ging, hielt Clemens im Großen Salon eine Rede, die beinahe jeder hörte. Jene, die auf Wache waren, konnten sie über das Lautsprechersystem mithören. Sam sprach nur kurz, aber seine Worte waren ernst.
»Wir haben eine phantastische Reise hinter uns gebracht«, sagte er, »und zwar auf einem Fluß, der möglicherweise der längste des Universums ist. Wir haben Glück gehabt und Fehlschläge erlitten. Wir haben Tragödien erlebt und Schmerzen ertragen müssen; wir haben Langeweile gehabt, Komödien durchlebt und uns manchmal feige und manchmal heroisch verhalten. Wir haben dem Tod mehr als einmal ins Gesicht gesehen. Wir haben zusehen müssen, wie die, die wir liebten, starben – aber wir haben auch jene sterben sehen, die wir haßten.
Wir haben eine lange Fahrt hinter uns. Sie war 12.000.000 Kilometer lang. Das ist etwa die Hälfte der Flußlänge, die wir auf 25.000.000 Kilometer schätzen. Es war wirklich eine lange Reise. Hätten wir sie zu Fuß zurückgelegt, liefen wir jetzt immer noch. Wir wären höchstens 400.000 Kilometer weit gekommen und hätten noch über 11.000.000 zurückzulegen.
Jeder, der auf diesem Schiff anheuerte, hat vorher gewußt, was ihn die Fahrt auf dem größten und luxuriösesten Gefährt dieser Welt kosten wird. Jeder ist auf den Preis der Fahrkarte hingewiesen worden. Er wird am Ende der Reise kassiert, nicht am Anfang.
Ich kenne jeden von euch so gut, wie ein Mensch den anderen kennen kann. Ihr seid ausgewählt worden und habt mein Urteil voll bestätigt. Ihr seid durch viele Tests gelaufen und habt sie mit Auszeichnung bestanden. Deshalb bin ich absolut überzeugt davon, daß ihr auch die morgige letzte Prüfung bestehen werdet.
Aber ich rede wie ein Mathelehrer an einem Gymnasium oder ein Fußballtrainer während der Halbzeit. Tut mir leid. Dieser Test ist ebenso wie dieses Spiel tödlich, und einige von euch, die jetzt noch leben, werden morgen Abend nicht mehr unter uns sein. Jeder von euch hat den Preis gekannt, als er anheuerte; versucht also nicht, eure Reise als Schwarzfahrt zu betrachten. Aber wenn wir den morgigen Tag hinter uns gebracht haben…«
Sam hielt inne und sah sich um. Joe Miller, der auf dem Podium auf einem großen Stuhl saß, sah traurig drein. Tränen liefen über seine faltigen Wangen.
Der kleine de Marbot sprang auf, hob sein Schnapsglas und rief: »Ein dreifaches Hoch auf unseren Kommandanten!«
Die Menge ließ ihn laut hochleben. Nachdem sie getrunken hatten, stand der hochgewachsene, dürre und langnasige de Bergerac auf und sagte: »Auf unseren Sieg! Von der Verdammnis und dem Tod John Lacklands ganz zu schweigen!«
An diesem Abend blieb Sam lange auf. Im Ruderhaus ging er eine ganze Weile auf und ab. Obwohl das Schiff verankert war, befand sich das gesamte Ruderhauspersonal auf dem Posten. Innerhalb von drei Minuten konnte die Nicht vermietbar den Anker lichten und mit Höchstgeschwindigkeit in die Mitte des Sees vorstoßen. Wenn John trotz seines Versprechens einen Nachtangriff wagen sollte, war Sams Schiff darauf vorbereitet.
Die im Ruderhaus anwesenden Männer sprachen wenig. Sam wünschte ihnen eine gute Nacht, ging hinaus und wanderte ein paar Minuten über das Flugdeck. An den Ufern brannten zahlreiche Feuer. Die Bewohner Virolandos wußten, was am nächsten Tag auf sie zukam. Sie waren zu aufgeregt und zu ängstlich, um heute zur gleichen Zeit wie sonst schlafen gehen zu können. Etwas früher war La Viro persönlich am Ufer in einem
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