Das Magische Labyrinth
ans Ufer!
Trotz dieser Warnung war das linke Ufer dicht belebt. Die Mehrheit der Neugierigen hielt sich allerdings auf den Felsnadeln oder den sie miteinander verbindenden Brücken auf. Jeder wollte die Schlacht miterleben. Die Neugier hatte die Furcht besiegt. Nicht einmal die zahlreichen Anweisungen La Viros konnten die Menschen dazu bewegen, diesem Spektakel fernzubleiben. Die Wächter, die versuchten, die Zuschauer in ungefährliche Gefilde zurückzudrängen, wurden einfach ignoriert. Da man in Virolando Waffen des zwanzigsten Jahrhunderts noch nie gesehen hatte – tatsächlich gab es hier nichts, das über Kriegsgerät des Jahres eins hinausging –, besaß niemand eine Ahnung, was sich hier abspielen würde. Nur wenige der Neugierigen hatten bisher überhaupt Gewalttätigkeiten – allenfalls Handgreiflichkeiten privater Natur – kennen gelernt. Und so nahmen die Unschuldigen auf der Ebene Platz und erkletterten die Felsen.
La Viro hockte kniend im Tempel und betete.
Hermann Göring, dem es nicht gelungen war, ihn zu trösten, stieg über eine Leiter auf einen Felsturm hinauf. Obwohl er seine Lasterhaftigkeit zutiefst verabscheute, hatte er die Absicht, dem Kampf zuzusehen. Er mußte offen zugeben, daß er so gespannt war wie ein Kind, das auf die erste Zirkusnummer wartet. Es war bedauernswert, aber er würde noch einen weiten Weg gehen müssen, ehe er den alten Göring völlig vernichtet hatte. Aber er konnte dem Kampf und dem Blutvergießen einfach nicht fernbleiben. Er zweifelte nicht daran, daß er dies bitter bereuen würde. Aber bis jetzt war so etwas auf der Flußwelt noch nicht vorgekommen. Es würde auch bei diesem einen Mal bleiben.
Er durfte es nicht verpassen. Tatsächlich sehnte er sich einen Augenblick lang danach, eines dieser Flugzeuge zu fliegen.
Ja, er hatte noch einen langen Weg zu gehen. Warum sollte er sich zwischenzeitlich nicht noch einmal ein kleines Vergnügen gönnen? Er war ja bereit dazu, anschließend mit Seelenpein dafür zu bezahlen.
Die gigantischen Schiffe mit den Namen Nicht vermietbar und Rex Grandissimus pflügten durch die Wellen und fuhren aufeinander zu. Momentan trennte sie noch eine Entfernung von etwa zehn Kilometern. Man war übereingekommen, bei einer Entfernung von siebeneinhalb beizudrehen, wenn die Luftschlacht bis dahin nicht zu Ende war. Danach gab es keine Regeln mehr. Jeder konnte vorgehen, wie er wollte – und der Bessere würde gewinnen.
Sam Clemens wanderte auf dem Pilotendeck auf und ab. Eine ganze Stunde lang hatte er alle Stationen überprüfen lassen und den Leuten noch einmal den Schlachtplan erläutert. Der Trupp, der den SW bedienen sollte, hatte auf dem A-Deck Stellung bezogen und wartete ab. Auf ein Signal hin würde er den SW hinaufbringen und hinter dem dicken, stählernen Schild aufstellen, der bisher das vordere Dampfmaschinengewehr abgeschirmt hatte. Letzteres war abmontiert worden. Die Plattform, auf dem es gestanden hatte, war nun fertig für den SW.
Die Bedienungsmannschaft des Dampf-MGs hatte natürlich Erstaunen gezeigt, als an sie der Befehl ergangen war, die Waffe zu entfernen. Sie hatte Fragen gestellt, die ohne Antwort geblieben waren. Schon gingen die Gerüchte um, vom Bug zum Heck und von einem Deck zum anderen. Was hatte dieser komische Befehl des Kapitäns zu bedeuten? Was ging hier vor?
Inzwischen hatte Clemens dreimal mit William Fermor, dem Marineleutnant, der die SW-Mannschaft befehligte, gesprochen. Er ließ keinen Zweifel daran, für wie wichtig er Fermors Aufgabe hielt.
»Ich mache mir immer noch Sorgen wegen Johns Agenten«, sagte er. »Ich weiß, daß jedermann an Bord dreimal überprüft wurde – aber was bedeutet das schon? Jeder von John geschickte Saboteur wird sowenig von den anderen zu unterscheiden sein wie ein Nebenarm des Missouri vom anderen. Ich will, daß jeder, der dem SW nahe kommt, bis aufs Hemd gefilzt wird.«
»Was könnten sie tun?« fragte Fermor und meinte damit die Bedienungsmannschaft. »Sie sind alle unbewaffnet. Ich habe ihnen sogar unter die Kilts geschaut, um mich davon zu überzeugen, daß sie nicht irgend etwas dort verstecken. Ich muß Ihnen sagen, daß das den Jungs gar nicht gefallen hat. Sie sind der Meinung, daß man ihnen vertrauen müsse.«
»Sie sollten die Notwendigkeit einsehen«, sagte Clemens. Die Uhr im Kontrollraum zeigte 11.30 Uhr an. Clemens warf einen Blick aus dem rückwärtigen Bullauge. Das Flugdeck war bereit. Man hatte die Maschinen mit Aufzügen
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