Das Magische Labyrinth
teilte er mit ihm die Neugier gegenüber allem Neuen.
Des weiteren war Cyrano eine Bereicherung jeder Party, obwohl er nie versuchte, in einer Konversation zu dominieren.
Und so kam es eines Tages, daß Sam mit Mark Twain, seinem Alter ego, ein Zwiegespräch hielt und sich in der Abgeschiedenheit seiner privaten Zimmerflucht über seine Gefühle klarzuwerden versuchte. Das Ergebnis bestand aus der Erkenntnis, daß er sich Cyrano gegenüber äußerst unfair verhalten hatte. Natürlich war ihm das tief im Inneren schon immer klar gewesen. Der Bursche war schließlich nicht schuld daran, daß Livy sich in ihn verliebt und sich geweigert hatte, ihn – nachdem ihr Ex-Ehemann wiederaufgetaucht war – zu verlassen. Nein, dafür war allein Livy verantwortlich. Sie hatte nur das tun können, wozu ihr angeborenes Temperament und die vorherbestimmten Umstände sie gezwungen hatten. Und Sam hatte sich ebenso verhalten, wie es sein angeborener Charakter, sein >Wasserzeichen< verlangt hatte. Aber jetzt – und auch das war ein Aspekt seines aus den Tiefen heraufreichenden Charakters und dem unausweichlichen Druck der Ereignisse – hatte er sein Verhalten gegenüber Cyrano geändert. Immerhin war er ein guter Kerl und hatte sogar gelernt, regelmäßig eine Dusche zu nehmen, seine Fingernägel sauberzuhalten und nicht mehr in die Korridorecken zu urinieren.
Ob Sam wirklich glaubte, daß er eine Maschine sei, deren Handlungen vorherbestimmt waren, wußte er selber nicht. Manchmal dachte er, daß sein Glaube an den Determinismus nichts anderes war als eine Entschuldigung, um seinen eigenen Schuldgefühlen aus dem Weg zu gehen. Wenn dies der Wahrheit entsprach, dann praktizierte er, indem er die Erklärung, er sei weder für das Gute noch das Böse in sich verantwortlich, vorschob, einen freien Willen. Andererseits war es aber auch eine Komponente des Determinismus, daß er den Menschen mit der Illusion versorgte, er könne über alles frei entscheiden.
Auf jeden Fall hieß Sam Cyrano in seiner Gesellschaft willkommen und vergab ihm was in Wirklichkeit keinerlei Vergebung bedurfte.
Und so kam es, daß Cyrano nun einer Gruppe von Leuten angehörte, die Sam eingeladen hatte, um über das zu reden, was er >Den Fall X< nannte. Die anderen waren Gwenafra (Sams Gefährtin), Joe Miller, de Marbot und John Johnston. Letzterer war fast einen Meter neunzig groß und wog 260 Pfund, ohne auch nur eine Unze überschüssiges Fett am Körper zu haben. Sein Kopf und seine Brust waren mit kastanienbraunem Haar bedeckt; er hatte außergewöhnlich lange Arme und Hände, die den Pranken eines Grizzlybärs glichen. Johnstons blaugraue Augen blickten die meiste Zeit kalt oder verträumt, aber in der Gesellschaft guter Freunde wärmten sie überraschend schnell auf. Seine Vorfahren waren Schotten gewesen. Er war 1818 in New Jersey zur Welt gekommen und 1843 im den Westen gegangen, um in den Bergen zu leben. Dort war er sogar unter den Bergbewohnern zu einer Legende geworden. Es hatte allerdings ein paar Jahre gedauert, bis man ihn eine Berühmtheit hatte nennen können. Nachdem eine umherziehende Gruppe von Crow-Indianern seine dem Stamm der Flatheads angehörende Frau und deren ungeborenes Kind getötet hatten, hatte Johnston den Crows Blutrache geschworen. Er hatte so viele von ihnen umgebracht, daß die Crows schließlich zwanzig junge Männer ausgeschickt hatten, um ihn zu töten. Man hatte ihnen den Befehl gegeben, erst dann wieder zurückzukehren, wenn Johnston nicht mehr unter den Lebenden weilte. Sie griffen Johnston schließlich einer nach dem anderen an, aber er tötete sie alle. Er schnitt seinen Gegnern die Leber heraus und aß sie roh, wobei das Blut in seinen roten Bart tropfte. Sein Rachedurst brachte ihm schließlich Spitznamen wie >Leberesser< oder >Crow-Killer< ein. Aber die Crows waren ein gutes Volk; sie waren fair, ehrliche und gute Kämpfer. Und so hatte Johnston eines Tages der Fehde abgeschworen, die Crows von seiner Entscheidung informiert und war ihr Freund geworden. Er war außerdem ein Shoshonenhäuptling gewesen.
Er war 1900 im Veteranen-Hospital von Los Angeles gestorben und auf dem dortigen – überfüllten – Friedhof beigesetzt worden, aber in den siebziger Jahren hatte eine Gruppe von Menschen, die wußte, daß er rasend hatte werden können, wenn sein nächster Nachbar nicht mindestens hundert Kilometer von ihm entfernt wohnte, er also hier niemals seine letzte Ruhe finden konnte, seine Gebeine in die Berge von
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