Das magische Land 1 - Der Orden der Rose
seine Augen geöffnet worden, und er konnte sehen. Er legte sich in die Nähe des Feuers, da sein eigenes Zimmer voller Ritter und Magie war. Nach und nach erlosch die Glut. Bilder erfüllten seinen Kopf: Feuer und Magie, Wind und Sturm und eine Gruppe von Rittern auf ihren Pferden.
Er wollte eine Entscheidung treffen. Das brauchte Zeit, und er fürchtete sich davor, auch weil er vielleicht aufwachen würde und feststellen müsste, dass alles nur ein Traum gewesen war.
Das wäre grausam. Aber Gereint wusste, dass die Welt nicht freundlich war. Das hatte seine Mutter ihn gelehrt — nur um ihn zu schützen, wie sie behauptete. Vor was, hatte sie nie gesagt. Sie würde zurück sein, sobald die Straßen frei waren. Der Wind hatte sich vor einer Weile beruhigt, und die Schneeflocken fielen weniger dicht. Am Morgen würde alles vorbei sein. Die kräftige Frühlingssonne würde herauskommen und den Schnee schmelzen lassen. Gegen Abend würde er verschwunden sein.
Auch die Ritter würden dann fort sein. Und die Gitterstäbe von Gereints Gefängnis würden sich wieder schließen. Er würde hinter ihnen verbrennen, bis nichts mehr von ihm übrig war, nicht mal ein Häufchen Asche. Die Ritter brachen am Morgen auf. Auf der Straße lag der Schnee noch knietief, aber die Sonne schien hell, und ihr Vorhaben duldete keinen Aufschub. Gereint sah ihnen nach, wie sie vom Hof ritten auf ihren glänzenden Hengsten, gefolgt von den Packpferden.
Was auch immer sich in den Satteltaschen befinden mochte, es musste sehr wertvoll für sie sein. Über den Taschen lag ein Schimmer, wie eine Hülle aus Eis oder aus klarem Glas.
Es waren Schutzzauber. Er hatte so etwas noch nie gesehen, kannte es jedoch irgendwoher.
Die ganze Welt sah anders aus an diesem Morgen, und nicht nur wegen des Schnees. Mauritius' Worte hatten etwas in Gereint geweckt. Oder vielleicht war es die Anwesenheit der Ritter an diesem Ort, wo Magie, abgesehen von Gereints eigener, niemals gestattet war. Selbst die weise Frau aus dem Dorf hielt sich fern; die Tiere gebaren ihre Jungen ohne ihre Hilfe, und wenn Gereint oder Enid oder einer ihrer Erntehelfer krank oder verletzt waren, hielt man sich ans eigene Gebräu, während der Rest in Gottes Hände gelegt wurde. Jetzt wusste er, warum. Sein Inneres änderte sich so schnell, dass er sich selbst kaum wiedererkannte. Teile von ihm entfalteten sich, von deren Existenz er bislang nichts geahnt hatte.
Die Ritter hatten fast den Hügel überquert. In wenigen Augenblicken würden sie nicht mehr zu sehen sein.
Seine Mutter nahm eine andere Straße den Hügel herunter. Er hätte nicht sagen können, woher er das wusste. Es war wie alles andere an diesem Morgen: so neu, dass er es nicht verstand. Die Ritter würden außer Sichtweite sein, bevor sie den Hof erreichte. Gereint rannte ins Haus. Er raffte zusammen, was er finden konnte — eine Garnitur Kleider zum Wechseln, seine neuen Stiefel, verschiedene Kleinigkeiten und den kleinen Beutel mit Münzen, die er für das Ende der Welt gespart hatte.
Dies war das Ende der Welt, wie er sie bislang gekannt hatte. Er wickelte alles in seinen guten Wollumhang, zusammen mit dem Brotlaib von gestern und einem dicken Stück Käse. Zu guter Letzt legte er noch sein Jagdmesser dazu, das in der Lederscheide steckte, die er selbst dafür genäht hatte. Er schleuderte sich das hastig gepackte Bündel über die Schulter. Das gesamte Vieh war gefüttert, und alle morgendlichen Pflichten waren erfüllt. Seine Mutter würde bei ihrer Rückkehr alles zu ihrer Zufriedenheit vorfinden, abgesehen von seiner Abwesenheit.
Um ein Haar hätte er seinen Plan aufgegeben und wäre geblieben. Aber die Ritter waren fort, und die Sonne stieg höher und nahm den Schnee mit fort. Als würde er der Fährte des Rotwildes bei der herbstlichen Jagd folgen, machte er sich in zügigem Lauf auf den Weg.
Es war ein Gefühl, als würde er sich häuten, als würde er mit jedem Schritt den Ballast seines Namens, seiner Familie und des Hofs von sich werfen. Auf dem Gipfel des Hügels hielt er inne, um Atem zu holen. Die Ritter hatten die Hälfte des Tals durchquert und ritten in Richtung Fluss und Brücke. Er holte tief Luft und jagte ihnen nach.
Kapitel 3
Herzog Uriens Gesandter stand im Empfangsraum der Obersten Priesterin Margali, in dem in all den Jahren seit Averils Ankunft auf der Insel nie ein Mann gewesen war. Er hatte den Anstand, sowohl unbehaglich als auch unansehnlich zu wirken: grobschlächtig und bärtig
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