Das magische Schwert
was Tomik und Neel hören konnten, war das Klirren von Glas. Die Luft war völlig ruhig.
Doch das war nur das Auge des Sturms.
Mitten zwischen den Blumen und dem Grün fing der Wind an, sich zu drehen, zu wirbeln. Er raste in die Bibliothek, schlängelte sich um Petra und zerrte sie zurück in das Gewächshaus, wo er sie auf einen Haufen von geknickten Pflanzen und zerbrochenem Glas schmiss.
Mühsam kam sie auf die Beine. »Ariel, ich brauche deine Hilfe.Wirst du …«
» Wie kannst du es wagen? «, heulte der Wind. » Bist du eine
Jongleurin? Und bin ich ein Spielzeug? Idiotische Traumdenkerin! Du denkst wohl, ich bin eine Bodenwäscherin, eine Staubfegerin! «
»Nein! Ich halte dich nicht für meine Dienerin! Ich hab gehofft …« Petra suchte nach den richtigen Worten.War denn Ariel nicht freundlich zu ihr gewesen? Sie hatte Astrophil vor Dee geheim gehalten. Sie hatte Petra angelächelt. »Ich hab gedacht … ich hab gedacht, du magst mich.«
»Mag sssein«, zischte Ariel. »Doch ich bin der Wind und der Wind wechssselt.«
Die Luft vor Petra fing an, sich zu verdichten. Sie wurde neblig.
»Aber warum hast du mir all die Sachen gesagt?«, rief Petra. »Warum hast du mir von der Münze erzählt, wenn du nicht willst, dass ich dich rufe? Wofür waren all diese Vorhersagen gut, wenn nicht dafür?«
»Mag ssso sssein, Sssilbersssingerin.Vielleicht habe ich dasss schon immer gewollt.« Der Nebel nahm Gestalt an. Dann langten seine Klauen nach Petra. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
Ariel hatte sich in einen skelettartigen Gristleki verwandelt. »Vielleicht«, sagte sie, »biete ich dir ein Wort-Geschenk an, ein leises Flüssstern von weit gehört. Ein Geheimnisss.«
Petra wich zurück. »Ich will es nicht.«
Das Monster schwenkte einen schuppigen Arm. »Weissst du, warum wir Hautkratzer sind?« Der Graue Mann öffnete seinen leeren schwarzen Mund. »Weil wir keine Zähne haben und wir dein Angstblut lieben.Wir kratzen dein Angstblut aus und sssaugen …«
»Das reicht!« John Dee stürmte in das Gewächshaus. Seine Töchter kamen hinterher und eilten zu Neel und Tomik, um ihnen zu helfen.
Der Gristleki knurrte. »Du hassst mich nicht gerufen. Tiefsssucher, alssso befiehlssst du nicht. Ssso sssind die Regeln.«
Dee blickte Petra an. Er legte eine Hand auf ihre unverletzte Schulter, und ausnahmsweise zuckte sie nicht zurück, weil sein Gesichtsausdruck etwas Neues bot:Trost. »Alles wird gut werden«, versprach er, und sie konnte sich nicht daran erinnern, wann jemand das zum letzten Mal zu ihr gesagt hatte.
Dee wandte sich wieder an Ariel. »Ich biete dir etwas Besseres als Regeln. Ich biete dir Freiheit. Ich habe dir das Leben gerettet und du hast mir jahrelang gedient. Lass Petra in Frieden und ich betrachte deine Schulden als bezahlt.«
Der Graue Mann verschwand, und an seiner Stelle war da eine Motte, die unentschlossen herumflatterte. »Ein Trick! Verschlagener Tiefsucher! Verschlagener Fuchs-Mann! Ich bin mehr wert als ein Mädchen!«
»Das sehe ich nicht so. Nicht dieses Mädchen. Aber wenn du wünschst, mehr für deine Schuld zu bezahlen, dann nimm die Männer in der Bibliothek. Bring sie her zu mir, gefesselt und unschädlich gemacht.Vergib Petra.Tu all das und ich werde dich niemals wieder herbeizitieren.«
»Niemals, niemals, niemals!« Die Worte klangen wie wild läutende Glocken.
»Niemals«, schwor Dee.
Prinz Rodolfo, Franzis Walsingham und sechs Wachen schossen aus der Tür zur Bibliothek. Papier wirbelte hinter ihnen her. Ihre Arme waren mit Seilen aus Luft gebunden, so fest, dass die Haut violett angelaufen war. Die Gefangenen starrten Dee mit weit aufgerissenen Augen an, doch es war Walsingham, der am meisten Angst hatte.
Die Motte zwickte Petra in die Backe, und sie wusste nicht,
ob sie geküsst oder gebissen worden war. Dann flog die Motte durch den Rahmen des zersplitterten Gewächshausdachs.
Petra war in Sicherheit. Ihr Feinde lagen gefesselt zu ihren Füßen. Doch da merkte Petra, dass Astrophil fehlte. Er war ihr durch den Wind vom Ohr gerissen worden. Sie konnte ihn nicht spüren. Sie konnte ihn nicht sehen. Er war weg.
Die Natra
A STROPHIL!« PETRA schluchzte. Sie wirbelte herum, zerrieb Glas unter den Füßen und schmiss abgebrochene Zweige zur Seite. Sie hatte gedacht, sie wüsste, was Angst ist, aber sie wusste es nicht, nicht wirklich, weil die Angst so war: Sie verzehrte Petra und ließ sie vergessen, wer sie war. Sie höhlte sie innerlich aus und hinterließ
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