Das Mal der Schlange
Liam wurde brutal ermordet. Jetzt schläft er mit unseren Vorfahren auf dem Grunde des Moores, aber eigentlich sollte er hier unter uns sein, lebend und stark!“
Betroffenes Gemurmel war zu hören.
„ Ich verlange keine Rache“, fuhr er fort, „Denn ich weiß, Blut ruft immerzu nach neuem Blut und wir müssen den Teufelskreis der Gewalt durchbrechen. Aber leider wird auch dazu neues Blutvergießen notwendig werden.“ Seine Stimme wurde etwas leiser, „Alle die ihr heute hier seid, genießt ihr mein vollstes Vertrauen, darum will ich offen mit euch sprechen. Es ist etwas Ungeheuerliches geschehen. Wir wissen, wer für Liams Tod verantwortlich ist.“
Nun wurde das Stimmengewirr lauter und Victor hob beschwichtigend die Hand, „Ihr alle erinnert euch an den, der uns verlassen hat. Tristan. Er war es.“
Die Stille, die seinen Worten folgte, war beinahe unerträglich. „Tristan hat nicht nur Liam getötet, sondern auch Sisto, einen der Ältesten in Rom. Er ist gefährlich und unberechenbar und während wir hier stehen und unseren Bruder zu Grabe tragen, bereitet sich Tristan darauf vor, uns anzugreifen.“
„ Das ist unmöglich!“, tönte eine Stimme aus dem Hintergrund.
Langsam schüttelte Victor den Kopf, „Leider nicht. Was die Ältesten sehen, lässt keine Zweifel zu. Tristan hat sich ein Söldnerheer aus Sterblichen gekauft und es gut ausgebildet. Damit will er sich zum Oberhaupt machen, zuerst von Edinburgh, dann von ganz Schottland und am Ende vielleicht sogar zum Oberhaupt aller Zeitjäger. Das können wir nicht zulassen!“
Ein Krieger, den Emmaline nicht kannte, trat nach vorne, „Wir werden alles tun, was nötig ist, um ihn aufzuhalten. Ich bin dafür, dass wir Victor vorübergehend als Souverän einsetzen, bis die Sache erledigt ist.“
„ Das ist das Oberhaupt der Familie aus Glasgow“, flüsterte Adam in Emmalines Ohr.
Einige andere Männer traten nach vorne, anscheinend auch sie Oberhäupter, und alle nahmen den Vorschlag an.
„ Dann ist es beschlossen“, sagte der Mann, der gesprochen hatte, „Wir kämpfen als Einheit. Befiehl uns, Victor.“
Erleichterung war in Victors Blick zu lesen, als er den Kopf beugte, „Ich danke euch für euer Vertrauen, Brüder.“, er setzte sich auf den Boden, verschränkte die Beine und lud alle anderen ein, es ihm gleich zu tun.
Erstaunlicherweise fühlte sich der Untergrund nicht kalt an und Emmaline stellte fest, dass sie nicht auf Stein, sondern auf glatter, gestampfter Erde saß.
„ Es ist davon auszugehen, dass Verräter unter uns sind, deshalb mahne ich euch alle zu äußerster Vorsicht. Prüft gut, wem ihr vertraut, unser aller Leben könnte davon abhängen. Tristan hat nicht nur in unserer Familie seine Schergen sitzen, sondern auch in Rom, nur so ist zu erklären, dass dort ein Ältester getötet werden konnte. Ich habe mit Ilaria, dem römischen Oberhaupt, gesprochen. Die italienischen Familien sind unsere Verbündeten. Da davon auszugehen ist, dass Tristan hier zuschlagen wird, schicken sie uns in den nächsten Tagen Krieger zur Verstärkung. Georgianna wird mit ihnen zurück kommen.“
Die anderen nickten nachdenklich.
„ Wir in Edinburgh sitzen in der Höhle des Löwen. Deshalb bitte ich euch zu überlegen, wen ihr aus der Schusslinie haben wollt. Ein Großteil der italienischen Krieger wird zum Schutz unserer Familien abgestellt werden und alle, die sich in Sicherheit bringen wollen nach London begleiten. Wer hier in Edinburgh bleibt, wird kämpfen. Mein Befehl betrifft alle männlichen Krieger. Die Frauen werde ich jetzt der Reihe nach fragen und eine jede sagt mir, ob sie bleibt oder geht.“
Als die Reihe an Emmaline war, verstummten alle überrascht, denn sie sagte, „Es tut mir leid, aber ich werde weder kämpfen, noch nach London gehen.“
„ Was soll das heißen?“, fragte Victor.
„ Bruder, du weißt, dass ich mich nicht davor drücke zu kämpfen, aber ich habe euch von Anfang an gesagt, worauf es mir ankommt – auf Nathaniel. Ich hatte euch versprochen, an eurer Seite zu bleiben, bis ihr ihn gefunden habt.“, sie sah sich um, „Aber das habt ihr nicht - und jetzt hat sich die Situation geändert.“
Sie stand auf, „Niemand kann mir vorwerfen, dass ich nicht für die Interessen meines Volkes eintrete. In der Vergangenheit habe ich alles getan, was mir aufgetragen wurde, aber jetzt bin ich an einem Punkt, an dem ich mich für das entscheide, was mir am wichtigsten. Wie kann ich hier bleiben, wenn irgendwo
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