Das Mal der Schlange
oben. Sie hat mir vorhin erzählt, dass sie noch einige Sachen aus ihrem Haus holen möchte und Victor hat ihr nicht widersprochen.“
„ Weil sie damit einverstanden war, dass eine Eskorte sie begleitet. Alleine würde er sie niemals nach draußen lassen.“
An den Türrahmen gelehnt sah sie zu, wie Adam auspackte und seine Sachen in den Schränken und Schubladen verstaute. Sämtliche Gästezimmer verfügten über ein eigenes Bad und waren großzügiger als so manche Wohnung.
Als sie hinter sich Schritte hörte, sah sie sich um. Nathaniel kam den Gang herunter. Seit seinem überraschenden Auftritt bei der Versammlung am Vorabend hatten sie kein Wort miteinander gesprochen. Sie trat zur Seite, um ihn mit seiner großen Reisetasche vorbei zu lassen. „Kann ich dich kurz sprechen?“ Er hielt die Tür zu seinem Zimmer auf und sie gingen hinein. „Macht es dir etwas aus, wenn ich die Tür schließe? Ich möchte nicht, dass jeder mithören kann.“
Jeder wäre in diesem Fall Adam. „Natürlich nicht.“
„ Setz dich bitte“, er wies auf das Sofa neben dem Kaffeetisch. „Möchtest du etwas trinken?“
Sie ließ sich auf die Couch fallen, „Nein, danke.“. Wie distanziert er war, dachte sie, beinahe fremd.
Nachdem er sich aus einer silbernen Kanne Tee eingegossen hatte, setzte er sich auf das zweite Sofa, ihr gegenüber. Langsam gab er Milch und Zucker in die Tasse und rührte um. Die ganze Zeit über hatte er den Blick gesenkt gehalten, aber jetzt sah er auf.
Emmaline trug eine schmale Jeans und ein hellgraues Oberteil aus weichem Kaschmir. Ihr Haar fiel lose über ihre Schultern. Er fand, dass sie noch nie so schön gewesen war, wie in diesem Augenblick. Am liebsten wäre er auf sie zu gestürzt und hätte sie in seine Arme gerissen.
Stattdessen sagte er etwas ärgerlich, „Ich hoffe, dir macht es nichts aus, dass ich das Zimmer neben dir habe.“
Sie verdrehte die Augen, „Habt ihr euch abgesprochen? Jeder scheint mir dieselben Fragen zu stellen! Nein, es macht mir nichts aus. Weder dass du neben mir wohnst, noch Adam, noch Georgianna und Victor. Und jetzt möchte ich bitte doch etwas Tee.“, damit stand sie auf und griff zur Kanne.
„ Ich wusste nicht, dass du diese Unterhaltung schon hattest.“
Sie grinste, „Glaub mit, hatte ich. Vorhin, mit Adam.“
„ Wir befinden uns momentan eben in einer außergewöhnlichen Situation.“
„ Sprichst du von Tristan oder von uns?“, sie nahm einen Schluck aus ihrer Tasse und stellte sie anschließend zurück. Dann schlüpfte sie aus ihren Schuhen, zog die Knie an und schlug die Beine unter.
„ Ich sehe, du hast das Medaillon gefunden“, er wies auf die Kette um ihren Hals, ihre Frage ignorierend.
„ Ja. Bitte verzeih. Ich habe es aus der Höhle einfach mitgenommen“, hastig begann sie den Verschluss zu öffnen, aber er hob beschwichtigend die Hand.
„ Nein lass nur, es gehört dir. Ich habe es für dich anfertigen lassen. Ich wollte es dir am Tag unserer Hochzeit schenken. Es sollte etwas ganz besonderes sein…“
Ihre Finger glitten über die beiden Schlangen, „Es ist wunderschön. Ein Kunstwerk. Genau wie das Bild darin.“
„ Ich weiß nicht, warum ich es gemalt habe, oder warum ich die Kette in der Höhle gelassen habe.“
Bei diesen Worten trat Schmerz in Emmalines Blick.
„ Nein, das stimmt nicht“, er lächelte leicht, „Es war so etwas wie ein letzter Hoffnungsschimmer. Ich dachte mir, wenn du noch etwas für mich empfindest, wirst du eines Tages an unseren geheimen Ort zurückkehren und das Medaillon finden. Irgendwie wusste ich, dass es noch nicht zu Ende sein konnte.“
„ Wo bist du gewesen?“
Sein Lächeln wurde stärker, „Ganz in der Nähe. Sofort nach deiner Ankunft in Edinburgh habe ich wieder angefangen zu jagen.“
„ Du hast mich beobachtet? Wieso hast du dich nicht zu erkennen gegeben?“
„ Es war noch nicht an der Zeit.“
„ Und jetzt ist es das?“
Er schwieg.
„ Warum sagst du nicht einfach, was du denkst, Nathaniel? Ich bin es leid, ständig von einem Missverständnis zum anderen zu rennen und alles falsch zu machen.“
Überrascht lehnte er sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du hast dich sehr verändert.“
„ Das hoffe ich doch! Aber du bist auch nicht mehr der, der du einmal warst.“
„ Zwei neue Menschen. - Hättest du die Familie wirklich verlassen, wie du es gestern gesagt hast?“
„ Natürlich. Es war allerdings nicht geplant, dass du das mit anhörst.
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