Das Mal der Schlange
drehte sie sich zu Tristan um und sah ihm eindringlich in die Augen.
„ Ich will doch nur, dass du so tust, als hättest du Georgianna getötet, wenn du dich mit Emmaline triffst. Selbstverständlich werden wir keine Hand an sie legen! Wofür hältst du mich? Sie ist immerhin meine Freundin!“
Er presste eine Hand an die Stirn, als ob er damit seine Kopfschmerzen vertreiben könnte.
„ Ich weiß einfach nicht mehr, was ich denken soll. Es sind so viele schreckliche Dinge geschehen, ich glaube, uns entgleitet alles.“
„ Nein Tristan. Im Gegenteil. Wir haben alles richtig gemacht. Sisto musste sterben, es ging nicht anders. Du darfst dir deswegen keine Vorwürfe machen. Und dass Victor Liam tötet, war vorhersehbar. Natürlich hat er es so aussehen lassen, als wärst du es gewesen, aber das war auch vorhersehbar – so vorhersehbar, wie Victor eben ist… Das können wir sogar für unsere Sache nutzen. Je aggressiver die Stimmung wird, umso wahrscheinlicher ist ein unkontrollierter Angriff von Victor – bei dem wir ihn dann endlich ausschalten werden! Verstehst du? Je mehr er uns in Misskredit bringt, desto mehr spielt er uns eigentlich in die Hände!“
„ Mich! Er bringt mich in Misskredit! Von dir weiß doch niemand! Die Familie denkt, ich bin ein Monster! Und jetzt soll ich auch noch so tun, als hätte ich Georgianna ermordet!“
Sie drückte die Zigarette in einem schweren Glasaschenbecher aus.
„ Wir werden Victor mit seinen eigenen Waffen schlagen. Wenn er hört, dass Georgianna tot ist, wird er vollkommen die Kontrolle über sich verlieren und alle werden ihn als das erkennen, was er eigentlich ist – ein unbeherrschter Wilder, kaum geeignet, die Familie zu führen. Und wenn sich dann herausstellt, dass es nur ein Trick war und Gerogianna natürlich am Leben ist, ist es zu spät. Er wird unüberlegt handeln und wir werden ihn töten, glaub mir!“
Aus ihrer Handtasche nahm sie etwas, das in ein Taschentuch eingeschlagen war und reichte es Tristan.
„ Gib Emmaline das hier. Es wird sie davon überzeugen, dass du die Wahrheit sagst.“
„ Was ist das?“
„ Georgiannas Kette.“
„ Sie ist voller Blut, Ilaria!“
Sie lachte, „Keine Angst. Das ist mein Blut. Ich dachte, es verleiht dem Ganzen mehr Nachdruck.“
Nachdem sich Tristan Ilarias Wünschen gefügt hatte und sich auf den Weg ins Tower Restaurant machte, wo Emmaline und Nathaniel gerade zu Mittag aßen, fuhr sie zu Georgiannas Haus.
Sie hatte nicht gelogen, es war ihr Blut auf der Kette gewesen – aber es war nicht Georgiannas Kette, sondern ein Duplikat, das sie bereits in Rom hatte anfertigen lassen. Wenn man so lange befreundet ist, wie Ilaria und Georgianna, kennt man die Vorlieben und Eigenheiten des anderen genau.
In der Einfahrt zu Georgiannas Haus standen Wachen.
Ilaria lächelte. Wie fürsorglich von Victor. Obwohl er selbst Liam getötet hatte, glaubte er daran, dass von Tristan Gefahr ausging. Aber vielleicht diente das alles auch nur dazu, die Familie davon zu überzeugen, dass Tristan gefährlich war. Sie war sich nicht ganz sicher. Obwohl sie vorhin Tristan selbstbewusst versichert hatte, wie vorhersehbar Victors Aktionen wären, war Victor doch nicht so leicht lenkbar, wie sie es sich erhofft hatte. Aber das würde sich nun ändern.
Sie fuhr um das großzügige Grundstück und parkte auf der Rückseite.
Geschickt kletterte sie über die mannshohe Mauer und schlich sich durch den Garten in Richtung Haus.
Als sie die Statue des gefallenen Engels passierte, lächelte sie.
Ilaria hasste Engel. Menschen mit Flügeln, wie abstoßend.
Sie öffnete lautlos die gläserne Verandatür und betrat den Salon, gerade in dem Augenblick, als Georgianna mit zwei gepackten Reisetaschen auf dem Treppenabsatz erschien.
„ Ilaria!“, rief sie überrascht, „Haben Victors Wachhunde dich herein gelassen? Ich habe die Tür gar nicht gehört.“
„ Ja, sie waren so freundlich.“
„ Ich wusste gar nicht, dass du hier in Edinburgh bist. Victor hat nichts erwähnt. Wolltest du nicht in Rom bleiben?“
Mittlerweile hatte Georgianna den Fuß der Treppe erreicht und stellte die Taschen neben der Tür zum Salon ab.
„ Victor weiß noch gar nichts davon. Es war eine spontane Entscheidung. Ich möchte euch persönlich zur Seite stehen, nicht nur durch meine Krieger. Und nach meiner Ankunft, wollte ich als erstes zu dir, Schwester.“
Georgianna lächelte. „Das freut mich. Leider können wir nicht hier bleiben. Wie du dir
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