Das Mal der Schlange
hinlegen, vielleicht in einem der Gästezimmer?“, fragte Emmaline besorgt.
Lily schüttelte den Kopf. „Ist schon in Ordnung. Lieber nehme ich noch einen Whiskey“, sie hielt Emmaline ihr leeres Glas hin.
Auf dem Weg zum Barwagen, auf dem sich eine Vielzahl von Flaschen befand, blieb Emmaline vor Tristan stehen.
„ Erzähle weiter, bitte. Obwohl es schmerzt, wollen wir doch endlich die ganze Wahrheit wissen.“
68.
2002
Rom
Italien
Fluchend stieß Tristan mit dem Fuß an einen Haufen Backsteine, der auf dem Boden lag. Im Gegensatz zu den breiten Gängen und großzügigen Hallen unter Edinburgh, war das römische Gangsystem eng, feucht und modrig.
Zwar waren die Sümpfe, auf denen die Stadt einst erbaut worden war, seit Jahrhunderten trocken gelegt, aber im Winter sickerte Nässe durch die uralten Wände und machte das unterirdische Leben der Zeitjäger beschwerlich.
Während der kalten Monate wurden die Versammlungen in einigen Räumen abgehalten, die etwas höher lagen und seit Kurzem auch mit Entfeuchtungsgeräten ausgestattet waren, aber je weiter man in das Gangsystem vordrang, desto ungemütlicher wurde es.
Tristan fragte sich, in welchem Zustand sich die Gemächer der Ältesten wohl befinden würden, immerhin lagen diese am tiefsten.
Die meisten Mitglieder der Familie Roms besaßen weitläufige Stadtpalazzi oder Villen im Umland und verbrachten nicht mehr Zeit als unbedingt notwendig unter der Erde.
Deshalb war sich Tristan ziemlich sicher, dass ihm in dieser Nacht niemand begegnen würde. Er blieb jedoch auf der Hut und bemühte sich, seine Lampe möglichst wenig zu benutzen.
Ilaria hatte für ihn den Weg auf einer Karte eingezeichnet.
An jeder Gabelung blieb er stehen, prägte sich den nächsten Abschnitt ein, leuchtete kurz in den betreffenden Tunnel und löschte dann wieder das Licht. So dauerte es eine Weile, sich in der vollkommenen Dunkelheit nach vorne zu tasten und ab und an stieß er gegen Wände oder herabgefallenes Geröll.
Als er schließlich zu der Tür gelangte, hinter der Sistos Räume lagen, hielt er inne. Unter einer Jacke hatte er ein scharfes Messer versteckt. Er atmete tief durch und öffnete die Tür, ohne anzuklopfen.
Sisto saß hinter einem schweren Schreibtisch und blickte ihn an. Das Zimmer war klein und behaglich. Die weiß gekalkten Wände schienen durch indirekte Beleuchtung zu strahlen. Ein geknüpfter Teppich auf hölzernen Dielen sowie eine einladende Sitzecke vor einem elektrischen Kaminfeuer verliehen allem einen erstaunlich wohnlichen Eindruck.
„ Es ist wohl besser, wir gehen hinein und schließen die Tür“, hörte er plötzlich eine Stimme hinter sich. Sie gehörte zu einem Jäger, der ihm den Lauf eines Gewehres in den Rücken drückte.
Sisto lächelte. „Danke Michele. Aber ich denke nicht, dass du deine Waffe brauchen wirst.“
Tristan fuhr herum und blickte in zwei kühle azurblaue Augen.
„ Er trägt ein Messer bei sich“, knurrte Michele. „Ich bin ihm gefolgt, seit er in das Gangsystem eingestiegen ist. Das ist Ilarias Schoßhündchen.“
„ Mein Name ist Tristan“, Ärger lag in seiner Stimme, „Und ich bin niemandes Schoßhündchen!“
Sisto hob beruhigend die Hand, „Ich kenne Tristan seit langem, Michele. Und ich danke dir sehr für deinen Schutz. Man kann in diesen Tagen kaum jemandem vertrauen und ich bin sehr froh darüber, dich auf meiner Seite zu wissen, Bruder. Wollen wir uns nicht setzen und herausfinden, was Tristan in dieser Nacht zu uns führt?“
Tristan schüttelte den Kopf, „Wir dürfen keine Zeit verlieren! Ilaria will, dass ich dich töte. Sobald der Morgen anbricht, will sie deine Leiche sehen. Ich habe einen Plan, wie wir sie täuschen können, aber wir müssen uns beeilen!“
„ Dann ist es schlimmer, als ich dachte.“
Michele stieß einen Fluch aus. „Dieses Weib! Sie wird uns noch alle ins Verderben reißen!“
„ Hört mir zu“, Tristan vergewisserte sich, dass die Türe wirklich geschlossen war, dann zog er sein Messer.
„ Wir können ihr natürlich keinen Körper zeigen, aber ich kann ihr dennoch begreiflich machen, dass ich dich getötet habe.“ Mit einer raschen Bewegung zog er die Klinge über die Innenseite seines Unterarms, vom Handgelenk bis beinahe hinauf zum Ellenbogen. Sofort ergoss sich ein Schwall Blut auf den Fußboden.
Michele verstand sofort. „Gute Idee. Aber es wird nicht reichen. Es muss viel mehr sein, damit sie glaubt, du hast Sisto ausbluten lassen.“ Er nahm
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