Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)
Zuge kamen, standen sie den Echsen an Grausamkeit um nichts nach. Sobald ein einzelner Angler versehentlich zu nah zum Erdboden herunterkam, wurde er augenblicklich von einem oder mehreren aufheulenden Wolfsratten angefallen. Die Tiere sprangen aus dem Schnee in geradezu unglaubliche Höhe, krallten sich in die Flügel, an die Kehle, den Bauch des Feindes und rissen ihn zu Boden, wo der Vogel augenblicklich zerrissen wurde. Aber die vereinzelten Siege der Plorge konnten nichts am Ausgang des Kampfes ändern, bei dem die geflügelten Ungeheuer eindeutig die Oberhand behielten.
Während des gesamten Kampfes dieser beiden Mutanten-Arten wurden die Tiere ununterbrochen von den Amazonen beschossen, was aus Sergejs Sicht eine leichtsinnige Verschwendung von Pfeilen war. Zunächst begriff er überhaupt nicht, wozu das nötig sein sollte, fraßen die Monster sich doch gegenseitig auf, und die Überlebenden suchten das Weite. Wenn sie Häute benötigten: Davon gab es auf diesem von Blut und Eingeweiden braun verfärbten Schneefeld mehr als genug. Man musste sie nur einsammeln. Wozu also noch schießen?
Die Lage klärte sich schließlich dank einer jungen, sympathischen, zierlich aussehenden Amazone, die dennoch unermüdlich und methodisch Pfeile auf die Angler abschoss. Jedes Mal, wenn sie nicht getroffen hatte, fluchte sie grob vor sich hin – allerdings kam das nicht allzu oft vor.
»Die Pteros geraten beim Kämpfen in eine Art Blutrausch. Wir haben das schon mal erlebt. Wenn sie mit einem Feind fertig sind, kommen sie nicht zur Ruhe, sondern suchen sich den nächsten und stürzen sich auf ihn, und zwar mit zehnfacher Kraft. Dann sind sie viel schwerer loszuwerden. Deshalb ist es besser, ihnen jetzt schon die Lust auszutreiben …«
»Eine Strategie also …«, murmelte Sergej.
Nach einiger Zeit war alles vorbei. Die Angler waren gesättigt und zogen sich allmählich zurück, ohne den geringsten Versuch zu machen, das Dorf anzugreifen. Die kümmerliche Gruppe überlebender Plorge zerstreute sich, jaulend und winselnd, ein Teil in Richtung Stadt, die übrigen in Richtung Wald.
Über dem riesigen zertrampelten, blutverschmierten Feld verteilten sich nach und nach die Amazonen, liefen hin und her und sammelten die von Pfeilen durchbohrten Körper der Pterodaktylen ein.
»Die übrigen Tierkadaver sind unbrauchbar«, erklärte ihnen die junge Amazone. Sie saß an einer Wand der Hütte und rieb mit einem Lappen langsam, ja sogar genussvoll ihren großen Bogen ab. Sie wirkte weder müde noch erschrocken. »Im Speichel der Wolfsratten befindet sich Gift. Angeblich ist es für Menschen nicht sonderlich schädlich, aber wir gehen kein Risiko ein. Die Häute und das Fleisch dieser Bestien haben wir Amazonen nie verarbeitet, denn diese Monster ernähren sich auch von Aas. Nur so stupide Leute wie diese Höhlen- und Talmenschen machen aus dem Fleisch Nahrung und verarbeiten es zu Konserven. Und aus ihren Häuten nähen sie sich Mäntel. «
Sergej wurde plötzlich übel und er konnte nur mit Mühe ein Würgen unterdrücken.
Die Tür öffnete sich, und eine Frau schaute zu ihnen herein. Sie stand auf der letzten Sprosse unterhalb der Türschwelle, daher war sie nur bis zum Gürtel zu sehen, was Sergej ungewöhnlich und wunderlich anmutete.
»Hallo, Jungs!«, sagte sie fröhlich. »Wie habt ihr geschlafen? Zeit fürs Frühstück. Knurren eure Mägen schon?«
Sie kletterten den Mast hinunter und strebten entlang des schrecklichen Schlachtfeldes auf Weras Haus zu. Denis lief links von Sergej, hielt den Vater fest an der Hand und versteckte sich hinter ihm, wobei er von Zeit zu Zeit einen Blick auf das Feld warf.
Dort werkelten die Frauen noch immer geschäftig vor sich hin: Ein Teil schleppte weiter Vogelkadaver fort, ein anderer hatte begonnen, mit Hilfe von alten Eimern und selbst gezimmerten hölzernen Schaufeln Schnee aufzuschütten.
In Weras geräumiger Behausung wurden sie nicht von der Hausherrin persönlich, sondern von einem hochgewachsenen, glatt rasierten jungen Mann empfangen. Er stürzte ihnen schon auf der obersten Gittersprosse des Mastes entgegen, in der Absicht ihnen zu helfen.
»Na endlich, Jungs! Jetzt sind wir wieder mehr!« Der verschmitzte, spielerische Ton ließ Sergej die Situation augenblicklich erfassen. Über diesen Mann hatte Wera gestern Abend gesagt, sie wisse nicht, warum sie ihn immer noch durchfütterten.
» Wir sind sicher nicht mehr geworden, das garantiere ich dir«, entgegnete Max mit
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