Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou
daran, dort ein paar fröhliche Tage verbracht zu haben. Aber das war vor deiner Zeit.«
Hariri: »Es macht doch wenig Sinn, wenn wir uns bekämpfen. Wir wollen doch beide das erhalten, was uns zusteht.«
Dati: »Im Vertrag steht, dass wir beide zusammen vier Prozent der Gesamtsumme von sieben Milliarden Euro erhalten. Geteilt durch zwei macht das für jeden 140 Millionen. Ich habe davon keinen Centime gesehen. Und trotzdem habe ich Idiot dem Premierminister zehn Millionen für seinen Wahlkampf vorgestreckt.«
Hariri: »Das war vermutlich ein Fehler. Denn Ronsard hat sich selbst besser bedient als uns. Wenn meine Informationen stimmen, dann hat er mehr als siebzig Millionen Dollar aus dem Geschäft für sich abgezweigt und in der Schweiz geparkt. Was hältst du von der Idee: Wir tun uns zusammen und gehen ihn an. Er soll uns wenigstens einen Teil von seiner Beute abgeben.«
Dati: »Woher hast du die Zahl?«
Hariri: »Welche Zahl?«
Dati: »Na ja, die siebzig Millionen von Ronsard.«
Hariri: »Hat mir eine Fee geflüstert.«
Dati: »Hampelmann! Ronsard wollte wahrscheinlich wie üblich vor dir den großen Max spielen. Der ist doch dein Freund aus Saint-Trop. Hat der Angeber dir davon erzählt? Du kannst ihn doch ganz offen auf unseren Teil ansprechen.«
Hariri: »Taktisch wäre es besser, wir gehen beide gegen ihn vor.«
Dati: »Ich weiß nicht. Ich möchte ungern mit dir gemeinsam auftreten. Dein Ruf ist schließlich auch nicht der beste.«
Hariri: »Warum? Werd bitte nicht beleidigend!«
Dati: »Allein schon wegen deiner Steuergeschichte.«
Hariri. »Ich bin freigesprochen worden.«
Dati: »Zwar zahlst du in Frankreich keine Steuern, lebst aber in deinem Stadtpalais auf der Île de la Cité wie ein Krösus. Das nehmen dir viele Leute übel. Ich kenne so einige. Auch ganz oben.«
Hariri: »Vielleicht Chirac, aber Sarkozy steht immer noch zu mir. Wir haben letzte Woche bei Carla zusammen gegessen.«
Dati: »Carla? Gehörst du nicht auch zu deren Sammlung?«
Hariri: »Ich fürchte, unser Gespräch führt zu keinem guten Ende.«
Dati: »Und Sarkozy. Hast du für den nicht den Waffendeal mit Pakistan gefingert? Wie viel hast du dafür bekommen? 200 Millionen?«
Hariri: »Hör doch mit deinen blöden Vorwürfen auf! Sonst könnte ich dich fragen, was eigentlich mit dem Geld aus Libyen geworden ist, das Gaddafi für die Opfer des Attentats der DC 10 der UTA gezahlt hat.«
Dati: »Was soll der Quatsch? Das Geld ist an die Opfer geflossen.«
Hariri: »Nicht aber an die sieben amerikanischen Familien, die sich geweigert haben, das Entschädigungsabkommen mit Libyen zu unterzeichnen. Wo ist deren Geld? Bei dir in der Tasche? Leichenfledderer nennt man Leute wie dich!«
Dati: »Ich bedauere, dass du nicht zur Kooperation bereit bist. Aber eine letzte Frage: Ich habe gehört, der Schwager von Mohammed könnte hinter dessen Ermordung stehen. Arbeitet der nicht für dich?«
Hariri: »Wer sagt das?«
Dati: »Dass er für dich arbeitet? Dir gehört doch das Ingenieurbüro in Marrakesch, in dem er sitzt und das mit dem TGV -Projekt in Marokko beauftragt ist.«
Hariri: »Woher weißt du, dass Ibrahim verdächtigt wird?«
Dati: »Aus Justizkreisen. Ich kenn mich da ganz gut aus.«
Hariri schaltete wortlos ab.
Kalilas Versteck
D er Kellner rechnete im Kopf zusammen, was Jacques ihm schuldete. Einen Grand Crème, eine Tarte à la maison, und einen Drink. Er nahm den Geldschein, klemmte ihn zwischen zwei Finger und pulte aus den vielen, etwas speckigen Taschen seiner Weste die Münzen für das Wechselgeld. Jacques ließ ein großzügiges Trinkgeld auf dem Tisch liegen. Schließlich hatte er kurz nach sechs im Büro angerufen, Martine nach Hause geschickt und sich Zeit für seinen Gin Tonic genommen.
Je länger er hier im Garten dieses Paradieses saß, desto ruhiger wurde er. Seine Gedanken schweiften ab. Hatte Watteau nicht den Jardin du Luxembourg gemalt? In Victor Hugos »Les Misérables« spielt eine Szene hier. Hat nicht fast jede Zeit ihre Autoren und Maler, Philosophen und Komponisten durch den »Luco« geschickt, wie Einheimische den Jardin liebevoll abkürzen?
Die Zeit blieb für einen schönen Moment stehen.
Als das Café um sieben Uhr schloss, stand Jacques entspannt auf und lief gut gelaunt zum Tor auf der Seite des Boulevard Saint-Michel.
Beim Gehen wählte er die Nummer von Kommissar Jean Mahon, der noch im Büro saß. Jacques bat ihn kurz und knapp, jetzt keine Fragen zu stellen, aber im
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