Das Mars-Labyrinth: Roman (German Edition)
Ehepaar.
»Ihr solltet mehr marschieren«, belle ich sie an, »und weniger reden, Regulatoren. Tempo, Tempo.«
Wir legen an Tempo zu und hetzen im Laufschritt über die schmale, vereiste Straße. Ein Dutzend Meter weiter passieren wir ein offenes Tor aus Schmiedeeisen, das den Eingang zur Mine darstellt.
Ein Schild über dem Tor verkündet: WER ZU ARBEITEN WEISS, DEM IST GOTT NAHE. Sie hätten ebenso gut schreiben können: DIE ORTHOKRATIE WAR HIER.
Vor uns steht ein Stahlturm, der einen mechanischen Aufzug beherbergt. Das ist, so nehme ich an, der Hauptschacht. Ein Fördergerüst, mit dessen Hilfe das Erz an die Oberfläche gebracht wurde, kennzeichnet einen zweiten Schacht. Sowohl der Turm als auch das Fördergerüst sind mit einer dicken Rostschicht überzogen, ein deutlicher Hinweis darauf, dass sie seit Jahren nicht mehr benutzt worden sind. Zu meiner Linken sehe ich mehrere Struvit-Halden, Restprodukte des Bergbaus. Früher waren Struvite ein wichtiger Rohstoff, aber heute gelten sie – wie die Bergleute – als wertlos.
»Überwache die Lebenszeichen von uns allen«, weise ich Mimi an, ehe ich mich an Spiner wende: »Wir müssen schnell raus aus der Kälte. Ich möchte nicht, dass mein Team an Unterkühlung stirbt, ehe der Spaß richtig losgeht.«
Spiner zeigt auf eine geriffelte Konstruktion aus Metall, ungefähr hundert Meter voraus. »Das ist der Huntschuppen. Von da aus geht’s unter die Erde, wo es wärmer ist. Nicht warm, aber wärmer.«
Der Huntschuppen ist zehn mal zehn Meter groß, hat eine Tür und vier Fenster aus Plexiglas. Der Boden rundherum ist überwiegend von Schnee bedeckt, die Erde aufgeworfen, als wäre sie mit einem gewaltigen Pflug beackert worden.
»In den alten Zeiten«, erzählt Spiner, während er uns in den Schuppen führt, »war der Boden hier dauerhaft gefroren. Das Fundament des Huntschuppens musste mit Presslufthämmern herausgebrochen werden. Das war, bevor Phase Blau eingetreten ist und das Leben einfach wurde. Also, steigt in den Lift, der bringt uns runter zu den Schienen.«
Kein Wunder, dass die Dræu die Minenbewohner für leichte Beute halten: Die Tür zum Lift steht weit offen, und der einzige Aufzug arbeitet mit einer offenen, hydraulisch betriebenen Kabine. Für Kannibalen ist das eine regelrechte Einladung, hereinzukommen und sich zu nehmen, worauf sie Appetit haben.
»Mimi«, sage ich, »leg eine Liste an. Erster Punkt: Fahrstuhl verriegeln.«
»Erledigt.«
»Und such nach menschlichen Signaturen. Sorg dafür, dass wir keine unerfreulichen Überraschungen erleben.«
»In dem Punkt bin ich dir voraus«, sagt sie. »Kein Schaf hier außer uns.«
»Das heißt Schwein.«
»Ja«, sagt sie. »Ich kenne meine Zweibeiner.«
»Machst du jetzt schon Witze? Seit wann hast du Sinn für Humor?«
»Ich hab’s dir doch gesagt«, entgegnet sie, »ich evolviere.«
»Und das soll mich jetzt beruhigen?«
Wir erreichen den Hunt, einen offenen Wagen, der so umgebaut wurde, dass er für den Transport von Personen geeignet ist. Der Fahrer sitzt auf einem Notsitz und lenkt das Vehikel mit einem Steuerknüppel. Die Passagiere dagegen hocken auf Bänken und beten um ihr Überleben.
Kaum sind wir unterwegs, peitschen Wind und Staub durch den Hunt. Die Luft ist warm und stinkt nach Schwefel. Obwohl auf beiden Seiten des Tunnels trübe Lampen angebracht sind, bedeutet der Eintritt in das schwarze Loch einer Mine, dass man den Rest der Welt hinter sich lässt. Tag und Nacht sind nicht mehr von Bedeutung. Die Zeit selbst scheint stehen zu bleiben.
»Du bist so still«, sagt Vienne, die neben mir sitzt. Dann, mit leiserer Stimme: »Was macht dir Sorgen? Geht es um Ockham?«
Sie schaut mir in die Augen, und ich habe das Gefühl, irgendetwas flattert hinter meinem Bauchnabel. Meine Beine fühlen sich an, als wären sie abgeschraubt worden, als Vienne ihr Haar zurückwirft. Sie reckt das Kinn hoch, und meine Blicke folgen der Form ihrer Lippen.
Aufhören. So darfst du nicht über sie denken. So darfst du überhaupt nicht denken. Ich zwinge mich, die Augen zu schließen. Presse die Luft aus meiner Lunge, bis sie genauso zittert wie meine Hände. Atme kontrolliert und flach. Als ich die Augen wieder aufschlage, kann ich wieder normal atmen, und der Rausch ist vorbei. Vorerst.
»Es geht um Ockham«, sage ich. »Und um den Jungen. Und um diesen Job. Wir brauchen alle Regulatoren hier, die wir kriegen können, und was tut Ockham? Er bringt einen Akolythen hierher, ausgerechnet
Weitere Kostenlose Bücher