Das Mars-Labyrinth: Roman (German Edition)
Gelegenheit, etwas zu spachteln und uns ein bisschen aufs Ohr zu hauen.«
Spiner sieht aus, als hätte jemand ihn aufgefordert, dreidimensionale Integrale zu berechnen.
»Ruhe jetzt!«, sage ich. »Jenkins, steck das Messer weg – ich erledige das. Spiner, wie geht es von hier aus weiter? Wir sind schon viel zu lange im Freien.«
Spiner nickt desinteressiert. »Die alte Frau sagt, ich soll euch sechs zum Kreuz bringen.«
»Sechs?«, sagte ich. Wir sind nur zu viert. »Mimi, wo bleibt mein Scan?«
»Scan abgeschlossen«, antwortet Mimi. »Ich erkenne sechs biorhythmische Signaturen. Alle menschlich.«
»Ja, sechs«, sagt Spiner zu mir. »Ihr vier und die Regulatoren hinter euch.«
Ich stutze einmal kräftig. Regu ...
»Sehr interessant«, sagt Mimi. »Die beiden überzähligen Signaturen sind in meiner Datenbank verzeichnet. Das wird dir nicht gefallen: Eine stammt von Ockham ...«
»Ockham!«, brülle ich. »Ich weiß, dass du hier bist. Komm raus!«
Der alte Regulator tritt aus dem Schatten. Jetzt weiß ich, warum Spiner dermaßen von der Rolle ist. Ockham ist so ziemlich der letzte Regulator, den er im Zug erwartet hätte. Mir geht es genauso.
»Du hast mir mein kleines Spielchen versaut«, sagt Ockham kichernd, lehnt sich an einen Stützpfeiler und säubert seine Fingernägel mit einem Feldmesser. »Woher hast du gewusst, dass ich es bin?«
»Röntgenblick. Warum bist du hier?«
»Ich mache die gleiche Arbeit wie du. Dachte, du und deine drei kleinen Regulatoren, ihr könntet ein wenig Hilfe brauchen. Würde das Kräfteverhältnis ein bisschen ausgleichen, könnte man sagen.«
»Und was ist mit deinem Honorar?«
Ockham zwinkert einäugig. »Hab einen privaten Investor aufgetrieben. Ihr könnt euren kleinen Kuchen aufteilen. Ich behalte die große Torte für mich allein.«
Wie aufs Stichwort tritt ein Junge in der kragenlosen Uniform eines CorpCom-Rekruten hinter einem Betonpfeiler hervor.
»Jean-Paul Bramimonde!«, rufe ich aus.
»Was ist das denn?«, sagt Jenkins zu Spiner. »Du hast doch gesagt, zwei weitere Regulatoren. Dieser Junge ist kein Regulator. Er ist nicht mal groß genug, um es mit einem ...«
»Was spielt ihr zwei für ein Spielchen?«, unterbreche ich Jenkins’ Redefluss.
Jean-Paul drückt die Schultern durch. Reckt stolz das Kinn vor. »Du hast dich geweigert, mich auszubilden, also habe ich stattdessen Ockham angeheuert.«
»Du hast Geld dafür genommen, den Meister für diesen Jungen zu geben?«, frage ich Ockham.
»Was mein gutes Recht ist«, sagt Ockham. »So steht es in den Richtlinien.«
»Wir haben hier einen Auftrag zu erledigen!«, brülle ich ihn an. »Du hast nicht mal um eine Genehmigung für irgendwelche Ausbildungsmaßnahmen ersucht!«
»Das ist es ja gerade«, sagt Ockham, während er sich seine Ausrüstung schnappt und mit Jean-Paul davongeht. »Ich brauche keine Genehmigung, um irgendwas zu tun. Oder, Dalit? Komm mit, junger Bramimonde. Sehen wir uns diesen berühmten Südpol an, über den im Netz so viel gequasselt wird.«
»Chief?« Das ist Viennes knappe Art, sich zu erkundigen, ob ich das zulassen will.
»Vergessen wir die Sache für den Moment.« Fünf Regulatoren sind unendlich viel besser als vier. Selbst wenn Ockham ein überheblicher Schwätzer ist. »Regulatoren! Auf geht’s! Wir haben einen Job zu erledigen.«
Vienne runzelt die Stirn, nimmt aber Aufstellung. Fuse orientiert sich an ihr und folgt ihrem Beispiel.
»Mir gefällt das nicht«, schnaubt Jenkins. »Ein alter Knacker wie der mischt sich in unseren Auftrag ein. Ich hab in meiner Zeit bei CorpCom Regulatoren wie den erlebt. Zwei Jahre lang hab ich mir deren Quatsch angehört. Tu dies, Junge, tu das, Junge. Ich bin beinahe ein Neuner. Ich lasse mich von so ’nem wandelnden Fossil nicht herumkommandieren.«
»Wenn dich das schon so aufregt«, sage ich, als wir Spiner einen Pfad entlang folgen, der sich über den Permafrostboden zieht, »dann stell dir nur mal vor, wie es den Minenbewohnern ergehen wird.«
KAPITEL 14
A USSENPOSTEN F ISHER F OUR , S ÜDPOL A NNOS M ARTIS 238. 4. 9. 16:18
Außerhalb der Station reckt sich als kontinentale Wasserscheide das Promethei Planum dem blauen Himmel entgegen. Der Wind, der vom Rand dieser Hochebene herunterpeitscht, friert uns beinahe ein, ehe wir zehn Schritte getan haben. Hinter mir beklagt Jenkins sich über die Kälte, während Fuse sich darüber beklagt, dass Jenkins sich beklagt. Ich schwöre, die beiden benehmen sich wie ein altes
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