Das Mauerblümchen erringen (German Edition)
mich kein Mann angeschaut. Ich bin nicht nur so groß wie die meisten Männer, es fehlt mir auch an Glanz. Ich bin langweilig. Ich kann Männer nicht zum Lachen bringen, so wie du.“
„Du bist nicht langweilig!“, protestierte Olivia empört. „Oder wärest es zumindest nicht, wenn du endlich einmal aufhören würdest, über deine Größe zu jammern. Ehrlich, du bist wie meine Schwester. Ihr beiden seid so wohlerzogen, dass ihr alle eure Verehrer vergrault!“
„Es scheint dir entgangen zu sein, dass Georgiana und ich überhaupt keine Verehrer haben“, stellte Lucy verdrießlich fest. „Wir sind Mauerblümchen, aber sie besitzt wenigstens eine normale Größe. Wo steckt Georgiana eigentlich?“
Olivia spähte wieder durch die Palme. „Sie sitzt in der Witwenecke.“
Lucy schauderte. „Nach dem heutigen Abend werde ich mich wohl wieder zu ihr gesellen müssen und verzweifelt darauf hoffen, dass irgendein Mitgiftjäger mich zum Tanz auffordert. Als Ravensthorpe um meine Hand angehalten hatte und mir klar wurde, dass ich mich nicht mehr demütigen musste, um einen Ehemann zu ergattern, war ich so dankbar . Es ist so eine Erleichterung, wenn man verlobt ist, Olivia. Du kannst dir das nicht vorstellen.“
Olivia unterbrach ihr Spähen durch die Palmwedel und warf ihrer Freundin einen ironischen Blick zu. Lucy fühlte, wie ihre Wangen vor Beschämung brannten. „Natürlich weißt du, was es heißt, verlobt zu sein!“, beeilte sie sich zu versichern. „Ich bin ja so eine Gans!“
„Ich vergesse es selbst oft“, gab Olivia zu. „Und da wir gerade vom Teufel reden — da ist mein Verlobter. O nein, ich glaube, er hat mich gesehen.“ Sie wich zurück.
„Ich finde Rupert eigentlich ganz nett“, meinte Lucy und beugte sich vor, um ihrerseits durch die Palmwedel zu spähen.
Olivia warf ihr einen finsteren Blick zu. „ Du solltest auch ehrlich zu mir sein. Ich werde den Dorftrottel heiraten. Es hat überhaupt keinen Sinn, Rupert irgendwelchen Verstand anzudichten.“
Lucy drückte ihrer Freundin tröstend die Hand. „Ich weiß, Olivia, es tut mir so leid. Aber du bist eben schon so lange verlobt, deshalb habe ich es ganz ... ich bin ...“
„Gräm dich nicht“, sagte Olivia mit einem Seufzer. „Es gibt wenige Verlöbnisse, die sich über einen Zeitraum von achtzehn Jahren erstrecken. Es besteht jedoch Hoffnung, dass ich schon bald heiraten werde. Rupert ist nicht nur achtzehn geworden, sondern er hat auch gelernt zu tanzen. Damit sollte ein Mann doch für die Ehe gerüstet sein!“
„Ich habe den Marquis heute Abend tanzen sehen“, bemerkte Lucy, erwähnte jedoch lieber nicht, dass Rupert und seine Dame gegen ein anderes Paar geprallt waren und die ganze Reihe durcheinander gebracht hatten. „Er muss dich wohl doch gesehen haben, Olivia, denn er kommt direkt auf uns zu. Wo steckt eigentlich sein Vater? Ich dachte, der Marquis käme zu einem festlichen Ereignis stets in Begleitung.“
„Oh, der Herzog ist ebenfalls anwesend“, sagte Olivia. Ihre Stimme hatte einen trostlosen Ton angenommen, den Lucy ungern hörte. „Rasch, Lucy, zieh deine Handschuhe an.“
Lucy warf ihrer Freundin einen verblüfften Blick zu, streifte aber gehorsam die Handschuhe über.
In diesem Augenblick raschelten die Palmwedel, und Rupert Forrest G. Blakemore, Marquis von Montsurrey und Erbe des Herzogtums Canterwick, stand strahlend vor ihnen. Rupert wäre ein ganz hübscher Mann gewesen, doch leider war der Blick seiner blauen Augen leer, und sein Mund stand ständig offen, wobei er die Lippen vorschob, als ob er schmollte.
„Hallo, Olivia!“, sagte er fröhlich. „Hallo, hallo, hallo! Hab ich dich doch erkannt. Hab nur ein bisschen von deinem Auge gesehen, aber gleich erkannt. Und ...“ Er zögerte. „Und das ist Lucy Licht ... nein , Lady Lucy! So merke ich mir nämlich Namen. Lucy ... Licht ... verstehen Sie? Ihr Haar funkelt wie ein Penny.“
Lucy machte einen Knicks. „Eine sehr kluge Art, sich Namen zu merken, Lord Blakemore.“
„Konnte mir die nie
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