Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Maya-Ritual

Das Maya-Ritual

Titel: Das Maya-Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
Vom Netzwerk:
reibt sich ungläubig die Augen, denn vor ihm paradiert die grellste, glitzerndste, verrückteste Unterwasserrevue, die man sich nur vorstellen kann. Sie wird angeführt von einem Zug Clowns und Harlekinen in bunteren Kostümen, als man sie beim Karneval von Rio oder Venedig zu sehen bekommt, dahinter ein Bataillon prächtiger Militäruniformen und am Ende eine Zirkustruppe in einem Kaleidoskop von Formen und Farben, die nicht zusammenpassen, durchsichtig, Pastell und Neonfarben, Kreise, Punkte, Zickzacklinien, Winkel, Quer und Längsstreifen und manchmal alles zusammen in einem Kostüm.
    Gott wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte, deshalb klatschte er einfach und rief: ›Bravo! Bravo!‹ Und so kommt es, dass Korallenfische bis heute ihre exotische Aufmachung tragen dürfen.«
    Deirdre kicherte. »Ich wette, deinem Vater würde die Geschichte gefallen.«
    »Mit Sicherheit. Er hat sie mir schließlich erzählt.«
    »Mir gefällt sie, und ich werde sie Bonnie als Gutenachtgeschichte erzählen. Sie steht gerade schwer auf Gott, dafür sorgt ihre Großmutter.« Deirdre wohnte bei ihrer verwitweten Mutter, die das Pub der Familie in Trim führte, einer kleinen Stadt rund dreißig Meilen von Dublin entfernt.
    »Hat es Bonnie nichts ausgemacht, dass du dir ein paar Wochen freigenommen hast?«
    »Nein. Sie vergöttert ihre Großmutter.«
    »Und Dermot, wie geht es dem?« Deirdre hatte einige Tage bei ihrem Bruder und dessen Frau in Miami verbracht, bevor sie nach Cozumel weitergeflogen war. Als ein Beispiel für beschleunigte Evolutionsprozesse hatte Dermot die Metamorphose vom Globalisierungsgegner zum Reiseveranstalter vollzogen, wenngleich er seine Glaubwürdigkeit zu bewahren suchte, indem er nur sanften Tourismus propagierte.
    »Dermot geht’s gut. Komisch, ihn in einem normalen Job zu erleben. Aber so ändert man sich eben, wenn man heiratet.«
    »Es stört dich aber nicht ernsthaft, oder?«
    »Sagen wir, unsere Auffassungen darüber, was sanfter Tourismus bedeutet, gehen auseinander.«
    Eine plötzliche Dünung hob das Boot an. Ich blickte in Richtung Norden aufs Meer hinaus. Am Horizont ballten sich schiefergraue Wolken.
    »Sieht nach Regen aus«, sagte ich. »Und Wind kommt auch auf. Lass uns zurückfahren.«
    Ich startete den Motor und nahm Kurs auf die Insel:
    Wir hatten zwar Hurrikansaison, aber in der Wettervorhersage am Morgen war keiner gemeldet worden.
    Dann ertönte das statische Knistern des tragbaren Funkgeräts im Boot, gefolgt von einer Stimme. »Sind Sie auf Empfang, Senoritas? Hier spricht Alfredo. Ich habe eine Unwetterwarnung für Sie - over.«
    Ich drückte auf die Sendetaste. »Ja, wir hören, Alfredo - over.«
    Alfredo las eine Wettervorhersage des meteorologischen Dienstes in Cancun vor.
    »Danke für die Warnung, Alfredo. Wir sind auf dem Heimweg zum Tauchclub. Over und Ende.« Deirdre sah besorgt aus.
    »Sie heißen nortes, diese plötzlichen Unwetter«, erklärte ich und versuchte, beruhigend zu klingen. Aber in einem heftigen Tropenregen kann die Sichtweite auf null sinken. Und der Seegang kann rapide wechseln. Wir hatten zwar nur sechs Kilometer zurückzulegen, aber ich wollte schnell zurück.
    »Leg deine Schwimmweste an«, sagte ich.
    Ich brachte den Außenborder auf Touren, der Bug erhob sich steil aus dem Wasser, und wir rasten in Richtung Cozumel.
    Es erwischte uns, als wir zur Anfahrt an die weiß getünchte Mole hinter dem Tauchclub abbremsten. Der Himmel verdunkelte sich, ein paar dicke Warntropfen klatschten auf die Windschutzscheibe, und dann kam die Flut. Schlagartig war die Anlegestelle ebenso verschwunden wie ganz San Miguel: Es gab kein Ufer mehr. Ich verlangsamte das Boot auf Kriechtempo.
    »Was zum Teufel machen wir jetzt?« Deirdre wirkte ein bisschen aufgeregt. Wir hatten nur unsere Badeanzüge und Schwimmwesten an und waren gründlich durchnässt, das Haar klebte uns am Schädel, und Wasser lief uns übers Gesicht.
    Im Grunde gab es kein Problem. Das GPS an Bord würde uns an Land leiten, die Position der Anlegestelle war eingespeichert. Aber ich spielte die Sache nur so zum Spaß hoch, während der Regen das Wasser ringsum peitschte und der Temperaturunterschied einen Dunst entstehen ließ, der in Wirbeln um das Boot herum aufstieg. »Halt die Augen nach alten Seebären offen, die aus dem Nebel des Grauens auftauchen!«
    In diesem Moment ertönte von fern eine Schiffsglocke, und Deirdre riss in gespieltem Entsetzen die Augen auf wie eine Figur in dem Film von

Weitere Kostenlose Bücher