Das Maya-Ritual
standhalten.«
»Und es eignet sich für euer Geschäft, nehme ich an.«
»Ja. Ken besaß ursprünglich ein Fiberglasboot, das bei jeder Fahrt bis zu dreißig Taucher aufnehmen konnte, von denen viele über wenig bis gar kein Training verfügten. Er entschied aber, ich solle nur erfahrene Taucher mit rausnehmen und nicht mehr als sechs auf einmal: Sein Beitrag zum Überleben der Korallen, nehme ich an.«
»Wir Menschen versauen aber auch wirklich alles, oder? Als ich mit Alfredo in Chankanaab war, habe ich Leute von einem Kreuzfahrtschiff beim Schnorcheln gesehen , die mit ihren Flossen die Köpfe der Korallen abschlugen.« An Deirdres erstem Tag auf Cozumel hatte ich sie mit Alfredo hinausgeschickt, damit sie sich mit Maske und Schnorchel vertraut machen konnte, bevor wir zum ersten Mal richtig tauchten, was sie seit zwei Jahren nicht mehr getan hatte. Die beiden waren zu einem Meerespark ein Stück südlich des Tauchclubs hinuntergeschwommen.
»Für Leute, die Schnorcheln, gibt es unglücklicherweise weder Richtlinien noch wird eine Ausbildung verlangt«, sagte ich.
»Also darf eine Horde Tagesausflügler in Korallen herumplantschen, die in tausend Jahren gewachsen sind, und peng! - weg sind sie. Die küstennahen Korallen werden wohl wirklich nicht überleben.«
»Du kennst ja meine Meinung dazu.«
Sie würde die Riffe einfach komplett sperren, das wusste ich.
Ich öffnete den Deckel der Kühlbox. »Iss eine Banane«, sagte ich und gab ihr eine, wobei ich darauf setzte, dass die Unterbrechung zu einem Themenwechsel führte.
»Danke. Die schmecken wirklich gut hier, muss ich sagen. Obwohl ich gegen eine Tüte Tayto Crisps auch nichts hätte.«
Ich lachte. Crisps nennt man Kartoffelchips in Irland. Als ich sie letzte Weihnachten besuchte, hatte ich ihre Lieblingsmarke im familieneigenen Pub gekostet.
Ich holte zwei Flaschen Dos Equis aus der Box und öffnete sie. »Auf die alten Zeiten«, sagte ich und reichte ihr eine. Ich saß auf dem drehbaren Pilotensessel neben dem Steuerruder und der Konsole mit den Navigationsinstrumenten, schaltete den Außenbordmotor ab und schwenkte den Sitz zu Deirdre herum.
»Lass uns hier einfach eine Weile ruhig vor uns hin schaukeln.«
»Klingt gut«, sagte sie und streckte ihre Beine in die Sonne. Sie trug einen aquamarinblauen Bikini.
»Sei vorsichtig mit der Sonne hier«, sagte ich, wenngleich ich bemerkte, dass sie bereits gut vorgebräunt war. »Hast du dich nach dem Tauchen eingecremt?«
»Nein. Falls ich nochmal ins Wasser gehe.«
»Rücksicht aufs Riff, ich bin beeindruckt. Ich glaube allerdings nicht, dass wir dafür Zeit haben werden.«
»Cremst du mir dann den Rücken ein?«
»Klar.« Ich drückte ein wenig Banana Boat aus der Tube und fing an, ihr Rücken und Schultern einzuschmieren.
»Mhm, das tut gut. Allerdings nicht so gut wie Alfredos Hände.«
»Wie bitte?« Für einen Moment hatte ich ihre Bemerkung falsch aufgefasst.
»Die Sonne brannte letzte Woche in Chankanaab glühend, was hätte ich tun sollen?«, sagte sie mit gespielter Unschuld.
»Er hält es mit Sicherheit für einen Annäherungsversuch. Immerhin ist er Mexikaner.«
»Die haben bestimmt auch ihre Fähigkeiten.«
»Bis sie hören, dass du Mutter einer Tochter bist.«
»Aber allein erziehende Mutter, bitte.«
Ich war fertig mit dem Auftragen der Lotion, und wir plauderten weiter, während ich mich wieder hinsetzte und von meinem Bier trank.
»Findest du ihn nicht ein bisschen zu jung?«, fragte ich.
»Er ist ein gut aussehender Bursche.«
»Aber unzuverlässig, wie wir festgestellt haben.«
Als Alfredo am Tag, nachdem ich ihn in Chichen Itza gesehen hatte, wieder erschien, erklärte er seine Abwesenheit am dritten Tag mit Krankheit. Am ersten Tag hatte er sich an einem Studentenprotest an seiner Universität in Mérida beteiligt, war bei Freunden dort über Nacht geblieben und am nächsten Tag zur Tagundnachtgleiche nach Chichen Itza gefahren. Am Tag darauf ging es ihm dann so schlecht, dass er nicht zur Arbeit kommen konnte.
Als ich sagte, ich wüsste, dass die Ausgrabungsstätte am 23. geschlossen gewesen sei, behauptete er unverfroren, da er an diesem Tag nicht hineinkonnte, sei er einen trinken gegangen, sei schließlich ziemlich blau gewesen und habe sich ein Zimmer in Pisté genommen und am nächsten Tag auf das Spektakel gewartet. »Dann warst du also nicht krank?«
»Doch. Ich hatte einen fürchterlichen Kater.« Er wollte nicht zugeben, dass er es mit der Wahrheit
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