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Das Maya-Ritual

Das Maya-Ritual

Titel: Das Maya-Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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nicht so genau genommen hatte. »Sei beim nächsten Mal doch so freundlich und ruf an«, sagte ich. »Nein - anders. Es darf kein nächstes Mal geben.«
    Ich erwähnte nicht, dass ich ihn mit Dr. de Valdivia sprechen gesehen hatte, und ich hatte es auch Deirdre nicht erzählt. Sie hatte in der kurzen Zeit ihrer Bekanntschaft aufrichtig Gefallen an Alfredo gefunden und würde sich womöglich unbehaglich fühlen, wenn sie glaubte, ich misstraute ihm. Die Sache konnte warten, bis sie in ein paar Tagen wieder nach Irland abgereist war.

11
    Das Boot schaukelte sanft auf der azurblauen See. Kaum ein Lüftchen regte sich.
    »Ich beneide dich, ehrlich«, sagte Deirdre.
    Ich wusste nicht recht, was sie meinte. Es war ja nicht so, dass ich eine befriedigende Liebesbeziehung hatte.
    »Die Insel. Die Art von Arbeit, die du machst.«
    »Ja, es gefällt mir… es ist -« Ich bemerkte einen harten, beinahe bitteren Ausdruck auf ihrem Gesicht.
    »Auch wenn es letzten Endes umsonst ist«, sagte sie.
    Das traf mich im ersten Moment. Aber bei Deirdre durfte man solche Dinge nicht persönlich nehmen. Wie viele extrovertierte Menschen besaß sie auch eine Kehrseite - eine pessimistische Ader, die hin und wieder an die Oberfläche trat und sie mürrisch und fatalistisch sein ließ. Sie konnte auch egozentrisch sein und ging dann häufig davon aus, andere würden ihre Ansichten teilen, ohne dass sie sich die Mühe machte nachzufragen. Einmal in Irland, als wir ein paar Leuten im Pub fröhlich erzählten, wie schlecht wir zueinander passten, weil sie eine Zynikerin sei und ich eine naive Optimistin, legte sie plötzlich los: »Amerikaner sind zu Zynismus nicht fähig, weil es ihnen an Fantasie fehlt, und ohne Fantasie haben sie kein Gefühl für das Absurde, und deshalb haben sie auch keine Ahnung, wie absolut lächerlich dieses ganze Unterfangen namens Leben ist.« Es kam ihr überhaupt nicht in den Sinn, ich könnte das beleidigend finden. Sie nahm einfach an, ich sei ihrer Meinung.
    »Ach, sei nicht so negativ«, sagte ich nun. »Ich hab dich gesehen, als du heute Morgen vom Tauchen heraufkamst - du warst begeistert. Das Leben war schön, die Natur stand in voller Pracht und hat sich schwer ins Zeug gelegt für dich, und du hast es genossen. Gib’s ruhig zu.«
    Wir waren mit Alfredo am Steuer zum Riff von Punta Sur hinausgefahren, einem der vielen Riffe, die auf der Festlandseite parallel zu Cozumel verlaufen. Umgeben von farbenfrohen Fischen und Korallen, waren wir durch einen halb senkrechten Tunnel im Riff getaucht, genannt Garganta del Diabolo - das Teufelsmaul: Diesen Nervenkitzel ließen wir in einer Tiefe von vierzig Metern hinter uns, um ein Geschwader Flügelrochen vorbeiziehen zu sehen. Dann trieben wir eine Weile in der starken Strömung, begleitet von einem Schwarm Sardellen, eine Million quecksilbrige Streifen, zu einem schwebenden Korb von der Größe eines Hauses verflochten. Die ganze Zeit über behielt Alfredo unsere Atemluftblasen im Auge, um zur Stelle zu sein, wenn wir auftauchten.
    »Du hast Recht, das war gemein von mir, Jessica. Es war wundervoll heute Morgen. Vor allem die Fische, einfach unglaublich!«
    »Mich faszinieren sie auch immer noch, egal, wie oft ich tauche.« Ich beugte mich über den Schwimmkörper des Boots und blickte in das klare Wasser. »Du weißt, warum die Fische in einem Riff so bunt sind, oder?«
    »Nein. Aber bestimmt weißt du es.«
    »Zufällig ja. Das war nämlich so: Am sechsten Tag der Schöpfung legte Gott mit Hilfe seines Malkastens letzte Hand an jenes fantastische Unterwassergebilde, das man Korallenriff nennt…«
    Deirdre, die mit einem Vortrag über evolutionsbedingte Anpassung gerechnet hatte, schaute leicht verwirrt.
    »Er hatte einen Aufruf an alle Fische erlassen, die sich sozusagen gern ein bisschen produzieren wollten , Showtalente, Schauspieler und so weiter. Zu dieser Zeit waren Fische nämlich im üblichen Grau und Weiß gehalten, und Gott dachte sich, das Riff würde ein wenig Farbe in ihr Leben bringen.
    Als die Fische zum Vorsprechen erscheinen, erhaschen sie einen Blick auf den fantastischen Hintergrund, vor dem sie bald agieren werden, und es dauert nicht lange, dann macht sich zunehmend Gemurmel unter ihnen breit.
    Es ist, wie gesagt, der sechste Tag, und Gott wird im Laufe des Vorsprechens ein bisschen schläfrig. Und dann passiert es - er nickt ein.
    Und schon hört man einen Ruf: ›Los, Freunde, ran an den Malkasten!‹
    Eine Stunde später wacht Gott auf und

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