Das mechanische Herz
und starrte, die Hände vor Entsetzen vor den Mund geschlagen, zu dem sich immer stärker biegenden Pfeiler empor. Taya legte die Flügel an und knallte wieder gegen die Seitenwand.
„Haltet Euch an mir fest!“, rief sie, während die Gondel einen Satz tat. Die Frau streckte die Arme aus, packte zu – und in genau diesem Moment gab der Pfeiler mit grauenhaftem Kreischen endgültig nach, und die Kabine stürzte in den Abgrund.
Tayas Fuß glitt am Türrahmen der Gondel ab. Ungeschickt fiel sie nach hinten, spürte, wie sich die Arme der Erhabenen um ihren Hals schlangen. Beide Frauen schrien auf. Taya breitete instinktiv die Flügel aus, wollte soviel Luft wie möglich erwischen, den Absturz aufhalten oder doch mildern, aber eine Kante der hinabstürzenden Kabine stutzte ihre Schwungfedern, und sie geriet ins Trudeln.
Drähte! Taya schlug wild und verzweifelt mit den Flügeln. Wenn ein loses Drahtseil sie traf, konnte es sie glatt in zwei Teile zerlegen. Schlug sie gegen einen Tragpfeiler, dann würde man sie nur noch als Brei von der Straße kratzen können.
Ihre Schwester würde ihr nie verzeihen, wenn sie so kurz vor ihrer Hochzeit ums Leben kam!
Aber so sehr Taya sich auch abmühte, sie und ihre Last sackten unweigerlich ab. Ihr Fluggeschirr war einfach nicht dafür ausgelegt, eine zweite erwachsene Person zu tragen. Taya hatte gehofft, ihr bliebe genug Zeit, in einen geordneten Gleitflug überzugehen, aber ...
Da! Ein Aufwind schob sich unter ihre Flügel und bremste ihren Fall. Kaum merklich, aber immerhin. Die Frau, die sich an Tayas Hals klammerte, stöhnte leise auf, der erste Laut, den sie seit dem anfänglichen Schrei von sich gab.
Taya wollte sich in eine Schräglage bringen, was das zusätzliche Gewicht der Frau aber verhinderte. Jetzt konnte sie nur noch wild mit den Flügeln schlagen, um den Absturz halbwegs in den Griff zu bekommen. Die Erhabene hatte die Finger zwischen Tayas Schulterriemen und den Fluganzug gebohrt und die Beine um die Taille ihrer Retterin geschlungen. Das Gesicht barg sie an Tayas Hals.
Irgendwo krachte Metall auf Metall, und Menschen schrien. Aber Taya konnte nicht nachsehen, woher der Lärm kam. Sie spürte ein seltsames Ziehen an den Flügeln – offenbar waren beim Zusammenstoß mit der Kabine einige Federn beschädigt worden.
„Taya!“ Fast hätte sie den Ruf überhört, so laut rauschte der Wind in ihren Ohren. Sie sah auf. Der zweite Ikarier glitt mit angelegten Flügeln an ihr vorbei. Auf diese Weise einen Gleitflug zu versuchen war immer ein gewagtes Manöver, auch unter den denkbar besten Umständen – viel mehr noch in so gefährlicher Nähe zu den Stützpfeilern der Drahtfähre. Aber nur so konnte der Ikarier einen Arm aus der Flügelhalterung lösen, um Taya eine seiner Sicherheitsleinen zuzuwerfen. „Halt dich an der Leine fest!“
„Erhabene! Hört zu!“, schrie Taya der Frau an ihrem Hals ins Ohr. „Man wirft uns eine Sicherheitsleine zu. Ihr müsst sie in mein Geschirr einhaken.“
Einen Moment lang schlossen sich die Arme der Frau noch fester um ihren Hals. Taya spürte das Herz der Erhabenen hämmern. Aber dann brachte die Frau noch einmal den Mut der Verzweiflung auf, den sie auch in der Kabine gezeigt hatte, und sah auf.
„Ich kann nicht!“
Wild mit den Armen schlagend, versuchte Taya, sich im Aufwind zu halten, nicht wieder in den kompletten freien Fall zu geraten.
„Wenn Ihr diese Leine nicht packt, sind wir beide tot!“
Als die Sicherheitsleine an ihnen vorbeischwang, unternahm die Erhabene einen halbherzigen Versuch, danach zu greifen. Ohne Erfolg. Das Seil rutschte ihr durch die Finger. Taya erschauerte: Um ein Haar hätte sie einen Flügelschlag ausgelassen.
Der zweite Ikarier zog einen Kreis und kehrte zu ihnen zurück. Erneut pendelte die Sicherheitsleine an ihnen vorbei, und diesmal schaffte die Erhabene es, sie festzuhalten. Sie klammerte sich an Tayas Schultern fest, und Taya spürte, wie das Seile durch die hinten an ihrem Geschirr befestigten Ringe geschoben wurde.
„Fertig!“, keuchte die Frau.
Ihr Fall verlangsamte sich, nun da der zweite Ikarier einen Teil ihres Gewichts trug. Sie flogen wieder, sie fielen nicht mehr. Sie waren in Sicherheit.
***
Auf der Straße hatte sich inzwischen eine Menschenmenge gebildet, um das Drama mit anzusehen, das sich hoch über ihren Köpfen abspielte. Unzählige helfende Hände reckten sich der Ikarierin und ihrem Fluggast entgegen, weshalb sich Taya schreiend Platz verschaffen
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