Das mechanische Herz
ihn auf Demikanisch an.
„Schön, sich in friedlichen Zeiten zu treffen, Janos Amcathra.“
„Schön, sich in friedlichen Zeiten zu treffen, Taya Ikara“, erwiderte der Leutnant in derselben Sprache, indem er Taya die Hand schüttelte, ging dann aber gleich wieder zu Ondinianisch über. „Wir brauchen bestimmt nicht lange. Bitte beschreibe, was geschah.“ Er zückte einen Stift.
Taya berichtete in allen Einzelheiten von ihrem Abenteuer, was länger dauerte als das eigentliche Ereignis. Amcathra machte sich ausführliche Notizen, und als sie fertig war, nickte er.
„Dann war es purer Zufall, dass du dich in der Nähe der Unfallstelle befandest“, fasste er zusammen. „Wenn du dort nicht haltgemacht hättest, um dich auszuruhen ...“
„Wir alle hatten unglaubliches Glück.“
„Ja.“ Amcathra überreichte ihr ein vorgedrucktes Formular und den Stift. „Jetzt brauche ich nur noch deine Unterschrift und die Nummer deines Horstes. Wir lassen es dich wissen, wenn wir uns noch einmal mir dir unterhalten müssen.“
Taya blinzelte.
„Das ist alles? Ich dachte, du hättest mich mit auf die Wache genommen, weil es länger dauern würde.“
„Ich habe dich hierhergebracht, weil du Ruhe brauchtest und draußen zu viele Menschen waren.“
„Oh! Danke.“
„Eigentlich werden Bürger dieser Stadt gar nicht so oft verprügelt oder einer Gehirnwäsche unterzogen“, bemerkte der Leutnant trocken.
Taya grinste. „Pyke ist harmlos, den darf man nicht so ernst nehmen.“ Sie überflog das vorgelegte Formular, ehe sie ihre Unterschrift daruntersetzte.
Amcathra unterschrieb ebenfalls.
„In einer Sache könnte dein Freund allerdings recht haben“, meinte er. „Der Sturz des Tragbalkens dürfte kein Unfall gewesen sein.“
„Was willst du damit sagen?“ Taya erinnerte sich daran, dass Pyke in einer seiner letzten Tiraden gegen die Regierung von unter der Hand weitergegebenen Bauaufträgen und minderwertigem Baumaterial gesprochen hatte.
„Wir verzeichnen eine Zunahme von Zwischenfällen, bei denen politisch motivierte Gewalt im Spiel ist.“
„Ist Octavus ... politisch brisant?“ Von ihren Prüfungsvorbereitungen her wusste sie, dass man den Dekatur Octavus zu den technologisch Konservativen rechnete. Dadurch erfreute er sich großer Beliebtheit bei den hart arbeitenden Plebejern, weniger großer bei Menschen aus den Kasten der Kardinäle, deren Lebensunterhalt von moderner Technologie abhängig war. Seine Feinde bezeichneten Octavus als Organizisten, als Reaktionär, der sich jeglicher Technologie entledigen wollte.
Amcathra zuckte die Achseln.
„Ich spekuliere nur. Ein Ikarus fliegt hoch und sieht viel. Wenn dir zwischen den Drähten irgend etwas Verdächtiges auffällt, dann berichtest du mir doch davon, hoffe ich?“
Typisch Liktor: vage Andeutungen über kriminelle Aktivitäten von sich zu geben, bis man ganz nervös wird, und diese Verunsicherung zu eigenen Zwecken zu missbrauchen! Verdächtigungen und Misstrauen gehörten beim Militär zum täglichen Brot, und immer baten diese Leute die Ikarier, ihnen bei ihren Ermittlungen zu helfen!
Eine Bitte, zu der man am besten Ja und Amen sagte, und dann sah man zu, dass man sich schnellstmöglich aus dem Staub machte.
„Natürlich“, versprach Taya brav. „War das jetzt alles?“
Amcathra warf einen Blick auf das Fluggeschirr. „Brauchst du Hilfe beim Anlegen?“
„Nein.“ Wieder musste Taya beim Aufstehen ein leises Stöhnen unterdrücken, so sehr schmerzten Rücken und Arme.
„Sicheren Flug, Ikarierin.“ Amcathra nickte ihr zu und verließ das Zimmer.
„Danke.“
Seufzend machte sich Taya an die Arbeit. Es dauerte wesentlich länger als sonst, sich den Apparat umzuschnallen, hatten das metallene Exoskelett sowie die Lederriemen des Geschirrs doch überall auf ihrem Körper Druckstellen und blaue Flecke hinterlassen. Ein schönes, langes, heißes Bad wäre jetzt genau das Richtige gewesen. Wenn alles gutging, blieb ihr auch noch Zeit dazu, ehe sie sich auf den Weg zur Hochzeit machte.
Sobald sie das Fluggeschirr angelegt hatte, half das leichte Ondium ihren schmerzenden Muskeln ein wenig. Nur waren Tayas Beine vom langen Sitzen ganz steif geworden und mochten sich nur ungern bewegen.
Draußen auf der Straße hielten Liktoren die Schaulustigen in Schach, während Ingenieure über die Türme der Drahtfähre krochen und zwischen ihnen, einem riesigen Sicherheitsnetz gleich, unzählige Kabel spannten, die verhindern sollten, dass
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