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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Uhr auf der Wiese gegenüber dem Gästeflügel Position beziehen. Lord John sollte jeden Abend dreimal eine Kerze am Fenster schwenken, zum Zeichen, dass bis jetzt alles in Ordnung war.
    Grey hatte dies auch an den ersten beiden Abenden getan und war sich dabei lächerlich vorgekommen. Heute Abend verlieh ihm das ein leises Gefühl der Sicherheit, als er sich bückte, um seinen Docht am Kaminfeuer zu entzünden. Das Haus war still, doch es schlief nicht. Irgendwo im Inneren der Abtei regte sich etwas; er konnte es spüren. Vielleicht die Geister der alten Mönche - vielleicht etwas anderes.
    Die Kerzenflamme zeigte ihm das Spiegelbild seines Gesichtes, ein bleiches Oval auf dem Glas, in dem die hellblauen Augen zu dunklen Löchern geworden waren. Einen Augenblick lang stand er mit der Flamme da, dann blies er sie aus und ging zu Bett, und seltsamerweise tröstete ihn der Gedanke an Harry draußen vor der Abtei mehr als der Gedanke an George Everett im Nebenzimmer.
    Er erwachte in der Dunkelheit und stellte fest, dass sein Bett von Mönchen umringt war. Oder von Männern in Mönchsgewändern; jeder von ihnen trug eine seilumgürtete Robe und hatte eine Kapuze tief ins Gesicht gezogen, um es zu verbergen. Nach einem ersten, erschrockenen Ausruf lag er still. Er hätte sie vielleicht für die Geister der Abtei gehalten, doch die beruhigenden Gerüche von Schweiß und Alkohol, Puder und Pomade belehrten ihn eines Besseren.
    Niemand sprach, sondern Hände zogen ihn vom Bett
hoch und stellten ihn hin, zogen ihm das Nachthemd vom Körper und halfen ihm ebenfalls in eine Robe. Eine Hand umschloss ihn intim, eine Liebkosung im Schutz der Dunkelheit, und er atmete Moschus und Myrrhe ein.
    Es wurden keinerlei Drohungen ausgesprochen, und er wusste, dass seine Begleiter die Männer waren, mit denen er beim Essen das Brot gebrochen hatte. Dennoch schlug ihm das Herz in den Ohren, als man ihn durch die dunklen Flure in den Garten führte, dann bei Laternenschein durch ein Labyrinth aus Eibenhecken. Dann führte ein gewundener Pfad einen steinigen Hügel hinab in die Dunkelheit und bog sich schließlich in den Hügel selbst zurück.
    Hier passierten sie ein seltsames Portal, einen Torbogen aus Holz und Marmor, zu einer Form zurechtgeschnitzt, die er für das Abbild der weit geöffneten Genitalien einer Frau hielt. Er betrachtete es neugierig; frühe Erfahrungen mit Huren hatten ihn ansatzhaft damit vertraut gemacht, ihm jedoch keine Gelegenheit zur genaueren Untersuchung geboten.
    Sobald sie sich innerhalb des Portals befanden, begann irgendwo vor ihnen eine Glocke zu schlagen. Die »Mönche« stellten sich zu einer Zweierreihe auf, setzten sich langsam schlurfend in Bewegung und fingen an zu singen.
    »Hocus-pocus
    Hoc est corpus…«
     
    Auf diese Weise setzte sich der Gesang fort - Verballhornungen diverser, bekannter Gebete, manche einfach nur törichter Unfug, andere geistreich oder unverhüllt obszön. Grey unterdrückte ein plötzliches Bedürfnis zu lachen und biss sich auf die Lippe, um es zu ersticken.

    Die feierliche Prozession wand sich in die Tiefe, und er roch feuchtes Felsgestein; waren sie in einer Höhle? Offensichtlich, als sich der Durchgang verbreiterte, sah er Licht vor sich und betrat schließlich eine große, mit Kerzen bestückte Kammer, deren grob behauene Wände darauf hindeuteten, dass sie sich in der Tat in einer Art Katakombe befanden. Der Eindruck wurde durch die Gegenwart einer Anzahl menschlicher Schädel in einer Nische der einen Wand noch verstärkt - ein jeder davon stand grinsend auf den dazugehörigen, gekreuzten Oberschenkelknochen wie eine Piratenflagge neben der anderen.
    Er fragte sich flüchtig, ob dies wohl die Überreste früherer Gäste Dashwoods waren - doch nein, beim näheren Hinsehen zeigte sich das Alter der Knochen, die blank poliert und von den Jahren braun gefleckt waren. Vielleicht waren es also einige der Mönche der ursprünglichen Abtei, respektvoll hier begraben und jetzt wieder ans Licht geholt, um zu Zeugen der Entweihung ihrer Ruhestätte zu werden.
    Die leeren Augenhöhlen sahen teilnahmslos zu, wie sich die respektlose Prozession an ihnen vorüberwand und eine kapuzenverhüllte Gestalt nach der anderen über den grob behauenen Stein huschte. Mühsam hielt Grey sich selbst davon ab, die vorüberziehenden Schatten zu zählen, denn was, wenn es mehr Schatten als Männer waren? Bei diesem Gedanken sträubten sich ihm kurz die Nackenhaare, doch unter seinem Brustbein stieg

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