Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)
mir einfach nie?« Er klappte den Deckel des Picknickkorbs auf und kramte darin herum. »Eigentlich sind es zwei Dinge. Das erste ist ziemlich praktisch. Ich habe es im Hotel in Paris mitgehen lassen.« Er reichte mir einen gelben Notizblock und einen Stift.
»Sehr hübsch, Julian. Das kann ich gut gebrauchen.«
»Liebling, das ist für dein Geschäftskonzept.«
»Geschäftskonzept?« Meine Stimme drohte zu versagen.
»Hm.« Er legte den Arm um mich. »Während irgendeines Streits in Manhattan hast du mir vorgeworfen, du könntest meinetwegen nicht mehr berufstätig sein, weil ich so einen langen Schatten werfe. Und mir ist klar geworden, dass du recht hattest.«
»Das ist doch nach allem, was wir durchgemacht haben, nicht mehr wichtig, Julian.«
»Im Moment vielleicht nicht, doch wenn wir erst wieder zu Hause sind und der Alltag einkehrt, wird es dir nicht genügen.« Er lachte reumütig auf. »All die Jahre habe ich gedacht, dass es reichen würde, ein Vermögen zu machen, um es dir zu Füßen zu legen und dir ein Leben in Müßiggang und Luxus zu ermöglichen. Das war ziemlich vermessen von mir. Dann habe ich allmählich festgestellt, dass meine Liebste trotz ihrer zurückhaltenden Art einen stark ausgeprägten Unabhängigkeitsdrang hat und mit einem Leben als meine … wie hast du das noch mal genannt? … Vorzeigefrau nicht zufrieden wärst.«
Ich schnaubte. »Und das hast du während der beiden Tage in Frankreich, als du angeblich in mich verliebt warst, nicht bemerkt?«
»Hab ein wenig Nachsicht, Kate. Ich war damals ein junger Bursche, überwältigt von deiner Schönheit und völlig ahnungslos, was das Denken einer modernen Frau angeht. Inzwischen kenne ich dich jedoch besser, Liebling. Du willst aus eigener Kraft etwas leisten, sonst wärst du unglücklich.«
Ich betrachtete den Block. »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«
»Ich denke, dir wird schon etwas einfallen. Denn ich will keinen Unsinn mehr über Puppen, goldene Käfige und verdammte Machos hören …«
»Das habe ich nicht so gemeint, Julian.«
»Dann lass mich es dir beweisen. Du hast freie Hand, Liebling. Buchladen, Café, deinen eigenen Fonds, wenn du möchtest. Wir besitzen alle Mittel, die du brauchst.«
Ich zog die Augenbrauen hoch. »Du würdest mich finanzieren?«
Ein zärtliches Lächeln spielte um seine Lippen. »Liebling, unser Vermögen soll dich nicht einengen, sondern dir Freiheiten verschaffen. Damit du tun kannst, was dich glücklich macht.«
»Und was ist mit dir?«
»Mit mir?« Er zuckte mit den Schultern. »Ich werde genug damit zu tun haben, dieses verdammte Fiasko zu Hause aus der Welt zu schaffen oder Hollander aus seinem jüngsten Himmelfahrtskommando zu retten. In der Hölle soll er schmoren. Ich werde dir einfach von der Zuschauerbank aus applaudieren.«
»Oh, wirklich?« Ich stupste ihn mit der Zehe an. »Und wie lange wird das anhalten? Ich kenne dich, Julian, das wird nicht lange dauern. Und weißt du was? Das ist in Ordnung so. Ich brauche dich und deine Hilfe. Deinen Rat.«
Er lachte. »Vorsicht, Liebling. Wenn du mich an Bord holst, könnte ich alles an mich reißen, mich gnadenlos einmischen und dich vor allen Unbilden retten.«
»Oh, ich werde dich mit ein paar gut gesetzten bissigen Bemerkungen in Schach halten.« Ich warf einen Blick auf den gelben Block. Ein offenes Versprechen, mit dem ich nie gerechnet hätte. »Danke«, sagte ich leise. »Das ist ein wundervolles Geschenk. Allerdings auch ein wenig irreführend.« Ich blickte auf. »Es wird nämlich ziemlich teuer werden.«
»Ach, du wirst schon ordentlich Profit erwirtschaften.« Er lächelte breit. »Und jetzt dein zweites Geschenk. Eher etwas Sentimentales.«
»Muss ich jetzt weinen?«, fragte ich und legte den Block in den Sand.
»Hoffentlich.« Er griff wieder in den Korb. »Ah, da bist du ja! Nur zwölfeinhalb Jahre zu spät. An der Post kann man wirklich verzweifeln.«
Ich starrte auf den Umschlag in meiner Hand. »Was ist das?«
»Du musst es öffnen, Liebling, dann wird es dir vermutlich klar.«
Ich drehte den Umschlag herum. Er war in einer geneigten, geschwungenen Handschrift an Mrs. Katherine Ashford, Rue des Augustins 29, Amiens, adressiert. »O mein Gott«, murmelte ich und sah Julian an. »Woher hast du …?«
»Ich hatte ihn in der Uniformjacke, Liebling, und wollte ihn gleich nach meiner Rückkehr in den Schützengraben abschicken. Meine gottverdammte Arroganz.«
Der Umschlag war nicht zugeklebt. Mit
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