Das Meer in deinem Namen
Da sind zwar die Material- und Brennkosten, aber es bleibt eine richtig gute Summe für dich übrig ...“ Er verstummte. „Ach so. Wirst du überhaupt lange genug hier sein?“
„Das wird sich zeigen. Wenn ja, ist dein Ton mit schuld daran. Wie spät ist es ... auweia. Ich muss los!“
„Sagst du mir bis morgen Bescheid? Ich muss dem Großklaus sonst wenigstens absagen. Oder ihm etwas anderes anbieten – der Himmel weiß, was!“, rief er ihr hinterher.
„Versprochen!“
Die schmale Straße, in der das Haus lag, war noch näher am Strand als Naurulokki. Carly beschloss, am Meer zurückzulaufen. Sie zog die Schuhe aus und hüpfte übermütig am Wellensaum entlang. So leicht hatte sie sich schon lange nicht gefühlt. Das Töpfern war ein Rausch gewesen. Und mit der Entscheidung, die sie getroffen hatte, war sie im Reinen, obwohl sie keine Ahnung hatte, was das für Folgen haben würde und wie sie damit fertig werden sollte.
Sie dachte an Jorams Quirl für Henny.
„Damit du nicht vergisst, dass es gelegentlich gut ist, sein Leben gründlich umzurühren!“ ,hatte er geschrieben.
„Jetzt hast du was angerichtet, Joram“, seufzte Carly.
Als sie an der Buhne bei dem Strandübergang auf der Höhe von Naurulokki ankam, sah sie den Kormoran am Ende sitzen.
Sie sah sich um, ob niemand in der Nähe war, legte dann die Hand an den Mund und rief: „Hey, Freund! Du hast mir heute Glück gebracht! Ich wünsche frohes Fischen!“
Zuhause hätte sie mit dem Rosenbusch Abraham Darby gesprochen, nun musste eben der Kormoran herhalten. Er lupfte einmal die Flügel, schüttelte sich und setzte sich wieder zurecht. Carly lachte und drehte sich um, um den Deich hochzulaufen.
Fast hätte sie Synne umgerannt, die dort mit in die Hüfte gestemmten Armen stand.
„Da hat aber jemand gute Laune. Hallo Carly!“
„Hallo Synne.“
Carly spürte, wie sie rot wurde. Es war vermutlich nicht einmal hier üblich, mit Vögeln zu sprechen. Plötzlich sehnte sie sich nach Flömer. Der würde das verstehen. Sie musste ihn dringend besuchen.
Synne begleitete Carly ein Stück.
„Ich muss in deine Richtung, ich will bei Daniel einkaufen. Du, was ich dir schon neulich sagen wollte, wegen Harry ...“
„Ja?“
„Er ist – naja, er ist ein prima Kerl, nur ...“
„Was, ein Frauenheld? Ein Casanova? Ein Schlawiner?“ Carly lachte.
„Nicht ganz. Man kann mit ihm unbedenklich Pferde stehlen, wie man so schön sagt. Aber für was Ernstes ist er eher nicht geeignet, jedenfalls noch nicht. Er ist halt – lebenslustig.“
„Synne, die besorgte Mutter steht dir nicht. Aber danke. Es kann trotzdem sein, dass Harry mein Glück ist. Ich muss los, viel Spaß beim Einkaufen und grüß Daniel!“
Sie ließ die verdutzte Synne stehen und rannte den Hügel zum Haus hinauf, einfach weil ihr nach Rennen zumute war. Unter der Trauerbirke warf sie sich rücklings ins Gras, um zu verschnaufen.
Ihr Übermut verflog. Es ließ sich nicht mehr aufschieben, sie musste Thore Bescheid sagen.
Das tat verdammt weh.
„Leicht ist das nicht mit dem Umrühren, lieber Joram“, murmelte sie, riss einen Grashalm aus und kaute wild darauf herum. Er schmeckte bittergrün und salzig.
Aber Henny war über Nicholas hinweggekommen. Mehr oder weniger. In Bezug auf Thore konnte Carly sich das zwar nur schwer vorstellen. Aber das half jetzt nicht weiter.
Carly raffte sich auf. An der Tür stellte sie fest, dass der Briefträger die Post einfach an das Küchenfenster gelehnt hatte. Eine Postkarte von Ralph.
„Es ist klasse hier, Fischchen. Unglaublich schön, reichlich Fischbrötchen und Platz zum Nachdenken. War der richtige Entschluss, auch wenn deine Freundin völlig irre ist“, schrieb er. „Übrigens, wir haben auf einem Campingplatz kurz hinter der Grenze Tische und Hocker aus Treibholz entdeckt, die eindeutig von Jorams Hand stammen. Man kannte sogar seinen Namen. Aber seit zwei Jahren war er nicht dort. Also leider keine Spur. Sorry. Pass auf dich auf, dein Floh.“
Das löste das Rätsel also nicht. Aber schön, dass es Ralph gutging. Und die Vorstellung, dass dort auf einem Campingplatz am Meer Tische und Stühle von Joram noch aufrecht standen und den Menschen Freude machten, tat Carly wohl.
Das hat aber alles nichts mit Thore zu tun, schalt sie sich. Sie sah auf die Uhr. Um die Zeit würde er in der Uni im Büro sein, die Sprechstunde für Diplomanden war gerade vorüber. Perfekt.
Sie stellte sich die langen, neonbeleuchteten,
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