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Das Meer in deinem Namen

Das Meer in deinem Namen

Titel: Das Meer in deinem Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Koelle
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vor ihn, beugte sich herunter, so dass Carly einen Anflug von Whisky in seinem Atem roch.
    „Donnerwetter. Meine Frau wird begeistert sein!“
    Carly sah belustigt und verwirrt, wie Harry hinter dem breiten Rücken des Herrn eine halb komische, halb verzweifelte Pantomime aufführte. Mit seinen dunklen Augen, den wild hochstehenden Haaren und heftigen Gesten erinnerte er sie an Thore. Er applaudierte ihr, legte den Zeigefinger auf den Mund, rang dann die Hände um ihr schließlich zu bedeuten, sie solle doch etwas sagen.
    Nur was?
    „Es tut mir leid, aber dieses ... Werk ist schon vergeben.“
    „Na gut, na gut, das überrascht mich nicht, aber bis wann können Sie mir ein ähnliches fertigstellen? Kommen Sie, über den Preis werden wir uns doch einig! Es eilt, wissen Sie! Meine Frau hat nächsten Monat Geburtstag!“
    „Verhandeln Sie bitte mit Herrn Prevo. Dafür bin ich nicht zuständig“, sagte Carly wahrheitsgemäß und versuchte dabei, ein irres Kichern zu unterdrücken.
    Harry erholte sich inzwischen, wurde wieder ganz Geschäftsmann.
    „Lassen Sie uns das drüben besprechen, Herr Großklaus. Wir wollen die Künstlerin nicht weiter aufhalten. Haben Sie eigentlich schon den diesjährigen Sanddornlikör gekostet? Spezialität des Hauses? Nein? ...“
    Die Schritte und Stimmen wurden leiser.
    Carly blieb etwas benommen sitzen und wartete darauf, dass Harry zurückkam.
    War ihr „Werk“ wirklich so gut? Nun, dem Herrn Großklaus hatte es gefallen. Sie bezweifelte allerdings, dass er ein Mann von Geschmack und Kunstverstand war. Seine Krawatte ...! Es war auch egal, sollte Harry sehen, wie er aus der Nummer wieder herauskam.
    Sie wusste nur, dass es sich richtig angefühlt hatte, die Seehunde zu formen. So richtig wie schon lange nichts mehr. Und zur Erinnerung an diesen Moment würde sie die Seehunde behalten, irgendein Großklaus hin oder her.

    Carly war versucht, aus dem Fenster in den frühherbstlichen Mittag hinauszusteigen und nach Hause zu laufen, aber endlich hörte sie, wie Harry den Herrn mit den Ausrufezeichen verabschiedete. Gleich darauf kam er hereingestürmt.
    „Carly, ich weiß nicht, wie du das angestellt hast, aber du musst ihm seine Seehunde machen! Er ist einer meiner besten Kunden. Weißt du, was er mir geboten hat?“ Er hielt ihr einen Zettel unter die Nase.
    Carly verschluckte sich, musste husten. Harry klopfte ihr heftig auf den Rücken.
    „Warum hast du mir nicht gesagt, dass du töpfern kannst? Und dann so was!“
    „Weil ich noch nie Ton angefasst habe. Höchstens Knete in der Grundschule, und dabei ist nichts rausgekommen.“
    „Knete. Knete! Hör sich einer die Frau an.“ Harry löste Carlys Werk vorsichtig mit einem gespannten Draht von der Töpferscheibe, hob es hoch und spähte darunter.
    „Tatsächlich. Keine Ahnung von nichts. Du musst die Figuren von unten aushöhlen, sonst explodieren sie beim Brand. Irgendwo eine Luftblase drin und – Paff! Nur noch Splitter. Hier, mit diesen Drahtschlingen. Ich zeig’s dir, hier, so! Du musst darauf achten, dass der Ton nirgends dicker oder dünner ist als an anderen Stellen, sonst entstehen schon beim Trocknen Spannungen und Risse.“
    „Ich muss nach Hause, ich hab noch etwas zu erledigen.“
    „Nix da.“ Harry drückte sie auf ihren Stuhl. „Halbe Sachen werden hier nicht gemacht. Das kann nicht warten, der Ton wird sonst zu trocken. Dafür bringe ich dir auch endlich deinen Tee.“
    „Hast du vielleicht auch ein Brötchen oder so?“ Carly stellte fest, dass Kreativsein anscheinend mächtigen Hunger machte.

    Das mit dem Aushöhlen war knifflig, aber sie brachte es schließlich zuwege. Harry besserte streng hier und da nach und stellte die gar nicht so kleine Skulptur schließlich auf ein Gitter in eine Ecke.
    „Da kann es von allen Seiten gleichmäßig trocknen und bekommt keinen Zug.“
    „Wie geht es dann weiter?“
    „Das muss zwei Wochen trocknen. Dann kann ich es brennen. Danach kannst du überlegen, ob du es so lassen oder farblos oder bunt glasieren willst. Oder du könntest vor dem Brand aus farbiger Engobe ein paar Striche und Punkte setzen, die Augen betonen vielleicht.“
    „Ich muss wohl noch viel lernen.“
    Er sah sie hoffnungsvoll an.
    „Heißt das, du machst dem Großklaus sein Geburtstagsgeschenk? Dass du dein Erstlingswerk behalten möchtest, verstehe ich ja. Aber es würde mir wirklich daran liegen, diesen Kunden nicht zu verärgern. Und außerdem, hey, das Geld könntest du doch gebrauchen!

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