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Das Meer in deinem Namen

Das Meer in deinem Namen

Titel: Das Meer in deinem Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Koelle
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graffitiverschmierten Flure mit den unzähligen Türen vor, die engen Büros mit den sachlich-hässlichen Aluminiummöbeln, den abgetretenen Teppichboden, der nach Kunststoff stank. Ein Schauder lief ihren Rücken herunter. Auf einmal kam ihr das Gebäude, in dem sie so viele Tage verbracht hatte, wie ein Gefängnis vor. Dabei war es eine schöne Zeit gewesen.
    Thores wegen.
    Während sie, an das Küchenfensterbrett gelehnt, auf das Klingeln am anderen Ende lauschte, fiel ihr Blick auf das Bildnis der jungen Henny mit den drei Schiffen. Zum ersten Mal sah sie die Ähnlichkeit zu ihr selbst, die die anderen behauptet hatten.
    Nur deshalb war Thore damals an jenem ersten Tag vor ihr stehen geblieben und hatte sie so lange und leicht verwirrt angesehen. Weil Carly ihn an seine Cousine erinnerte. Nicht weil er sie so toll fand.
    Aber dann waren sie Freunde geworden. Auf seltsame Weise ein unbeabsichtigtes Geschenk Hennys an mich, dachte Carly.
    „Thore Sjöberg. Ja, hallo?“
    Carly musste schmunzeln. Immer diese Eile, diese Ungeduld in seiner Stimme. Er war sich stets selbst voraus. Dieses Gehetztsein, dem sie sich im Arbeitsalltag notgedrungen angepasst hatte, würde sie nicht vermissen.
    Aber verflixt, der Klang seiner Stimme löste immer noch sofort das alte Herzklopfen aus. Ihre Hand zitterte, sie musste sich hinsetzen. Es war doch nicht so einfach, wie sie gehofft hatte.
    „Thore, ich bin’s.“
    „Carly! Hey, Süße! Du, Der-Freund-von-dem-Herrn-Schnug ist einverstanden damit, die Möbel zu übernehmen. Er will in dem Haus nur gelegentlich einen Urlaub verbringen und es ansonsten an Feriengäste vermieten. Da ist ihm das sogar recht. Und die Bilder kannst du Elisa zum Verkauf anvertrauen. Ein Glücksfall, dass du diese kompetente Frau kennengelernt hast. Ich habe neulich auf dem Rückweg kurz in ihrer Galerie vorbeigeschaut. Der Herr kommt am Freitag das Haus ansehen, bitte zeige ihm alles. Er hat sich aber praktisch schon entschieden und wenn es ihm gefällt, kannst du ihm gleich die Schlüssel übergeben – gegen Quittung natürlich – und nach Berlin kommen, dann bist du rechtzeitig hier, um den neuen Job anzutreten.“
    „Thore ...“
    „Wir können den Vertrag am Wochenende unterschreiben, in unserer Pizzeria, was meinst du? Vielleicht will Orje auch kommen, dann feiern wir. Ist doch alles wunderbar gelaufen. Du, ich muss los, ich habe noch einen Termin mit der Co-Korrektorin von einer Diplomarbeit. Sehen wir uns am Samstag?“
    „THORE! Warte!“
    „Ja?“
    „Thore, es tut mir leid, ich werde den Job nicht machen.“
    Schweigen.
    „Du wirst ... du willst nicht?“
    Diese Möglichkeit hatte er offenbar nie in Betracht gezogen. Sie konnte es ihm nicht verdenken. Hatte sie jemals zu einem seiner Vorschläge nein gesagt? Außerdem wusste er, wie nötig sie Arbeit brauchte. Und eine Zukunft.
    Carly suchte nach Worten, um es ihm zu erklären, doch die hatten sich irgendwo im Sand verkrochen. Gestern noch, als sie mit ihren Händen den Ton geformt hatte, war alles so klar gewesen.
    Aber er war Thore, und er verstand sie auch so, nachdem er sich von seiner Verblüffung erholt hatte.
    „Da ist mein Plan, dich mit dem Meer zu versöhnen, also nach hinten losgegangen? Oder vielmehr, über das Ziel hinausgeschossen. Ich habe ja gemerkt, wie sehr du dich in die Landschaft verliebt hast. Wie glücklich du dort bist. Das hat mich so gefreut, dich so zu sehen. Dass ich meine beste Mitarbeiterin verliere, ist trotzdem traurig. Und jetzt?“
    „Bist du mir böse?“ Das hätte sie nicht ertragen können. Es war so schon schwer genug.
    „Aber Carly, nie! Warum denn? Nur, was hast du jetzt vor? Muss ich mir Sorgen machen?“
    „Ich glaube nicht. Ich muss einfach hierbleiben, ich kann nicht anders. Der Sommer ist vorbei, sicher kann ich den Winter über irgendwo ein billiges Fremdenzimmer mieten, solange keine Saison ist. Mit viel Glück finde ich einen Job – meinetwegen in dem kleinen Supermarkt, da war neulich ein Schild dran ...“ Verlockend war die Vorstellung nicht. Seit gestern schossen Carly jedoch eine Menge wirre Ideen durch den Kopf, die noch längst nicht so ausgereift waren, dass sie sie Thore am Telefon erzählen konnte. Die Kerzen zum Beispiel. Möglicherweise fanden die tatsächlich Käufer in Daniels Laden. Dann ihr kreativer Zufallstreffer gestern. Ob es noch mehr Käufer wie Herrn Großklaus geben konnte? Und was war mit Gartenarbeit? Viele der Gärten, über deren Zäune und Mauern sie

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