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Das Meer in deinem Namen

Das Meer in deinem Namen

Titel: Das Meer in deinem Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Koelle
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wenigstens raus. Alles. Außer der kleinen Tatsache, dass sie hierbleiben wollte. Bisher hatte sie es aufgeschoben, das Orje mitzuteilen. Und Synne hatte offenbar dichtgehalten.
    „Weißt du, wenn ich von deinen wilden Theorien gewusst hätte, hätte ich den Teppich viel früher entsorgt. Ich fand ihn immer hässlich. Der war noch vom Vorgänger.“
    „Warum hast du ihn dann behalten?“
    „Weil der Boden so kalt und der Teppich so dick war“, meinte Tante Alissa praktisch. „Außerdem hattest du immer so einen Spaß daran, die Fransen glattzukämmen.“ Sie hob die Schultern. „Dachte ich jedenfalls. Du weißt ja, ich war kein pädagogisches Genie. Und ich bin Wissenschaftlerin mit wenig Fantasie. Wie sollte ich ahnen, dass du Fannys Behauptung, ich würde alles unter den Teppich kehren, einschließlich Tod, wörtlich nahmst?“
    „Ja, wie solltest du?“, stimmte Carly zu. Es war nicht nur der Tee, der eine angenehme Wärme in ihr aufsteigen ließ. „So konnte ich den Teppich mitsamt Inhalt wenigstens im Auge behalten. Ich wusste, wo er war, das war auch irgendwie beruhigend.“
    „Es tut mir leid, dass ich euch mit meinen Ängsten so eingeengt habe. Und dass ihr eine fischstäbchenlose Kindheit erleben musstet.“ Tante Alissa zwinkerte ihr zu.
    Carly wurde rot.
    „Es waren genauso unsere Ängste. Und seit ich den frischen Fisch hier kenne, würde ich Fischstäbchen sowieso nicht mehr essen. Tante Alissa, du warst wundervoll. Es muss so schwer gewesen sein für dich damals!“
    Tante Alissa wurde ernst, starrte in ihre Tasse.
    „Ja. Das war es. Aber nicht wegen euch. Ihr wart meine Rettung. Ich weiß nicht, wie ich das sonst ausgehalten hätte. Die Alpträume jede Nacht. Kai, meine Schwester, Marc. Ich habe ihre Gesichter gesehen, im Wasser, unter Wasser, immer wieder. Sie bewegten die Lippen, wollten mir etwas sagen, aber ich konnte sie nicht verstehen. Und immer wenn ich ihnen die Hand reichen wollte, bin ich aufgewacht oder eine große Welle trug sie fort.“
    „Marc, war das dein Freund, der in Ägypten bei dem Tauchunfall umkam?“
    „Mein Verlobter. Ja. Hat Ralph dir das erzählt? Marc und ich hatten den Friedrich-Kerringer-Preis für eine neue Methode der Säuberung und Erhaltung von Versteinerungen bekommen. Der war hoch dotiert, und wir wollten feiern. An dem Tag hatte ich jedoch eine Magenverstimmung und blieb an Land. Marc und der Tauchlehrer sind beide in einem Wrack hängengeblieben. Sie hätten gar nicht dort sein dürfen, es war verboten. Aber er war immer zu risikofreudig.“
    Carly stand auf und umarmte ihre Tante von hinten. Wie weiß ihre Haare geworden waren! Trotzdem wirkte sie jünger als je zuvor.
    „Aber jetzt bist du glücklich mit deinem Franzl?“
    Tante Alissa lehnte ihren Kopf an Carly.
    „Ja. Jetzt bin ich glücklich.“
    Sie schwiegen ein wenig zusammen.
    „Was hältst du davon, dass Ralph sich von Christiane getrennt hat?“, fragte Carly schließlich.
    Tante Alissa schnaubte.
    „Endlich! Ich dachte schon, er kommt nie darauf. In Gesellschaft dieser Person kann niemand froh werden. Wo ist der eigentlich?“
    „In Dänemark. Mit Miriam.“
    „Mit Miriam?“ Tante Alissa lachte hell auf. Carly suchte in ihrer Erinnerung, ob sie dieses Lachen überhaupt schon einmal gehört hatte.
    „Na, das ist jedenfalls eine Abwechslung. Komm, lass uns an den Strand gehen. Ehe ich den Mut verliere.“
    „Du musst nicht.“
    „Doch. Ich muss. Jetzt bin ich hier, jetzt muss ich. Orje hat völlig recht. Das ist die Gelegenheit. Jetzt oder nie. Du hast es geschafft, dann kann ich das auch.“
    „Das finde ich auch. Hallo, Carlotta.“
    Carly sah überrascht auf. Am offenen Küchenfenster stand Myra Webelhuth.
    „Ich komme mit. Zur Unterstützung. Wenn du möchtest, Alissa.“
    Jetzt verstand Carly gar nichts mehr. Tante Alissa lächelte.
    „Sehr gerne, Myra. Wir kommen!“
    Carly sah von einer zur anderen, entdeckte eine gewisse Ähnlichkeit. Beide Frauen groß, schlank und silberhaarig, nur Myras Zopf war lang. Beide von einer gewissen sachlichen Sprödigkeit – beim ersten Eindruck.
    „Woher kennt ihr euch – oder seid ihr verwandt?“
    Die Frauen lächelten beide verlegen.
    „Wir kennen uns erst seit vorhin, als du hier nicht aufgemacht hast und ich nebenan geklingelt habe, weil ich dringend musste und halb verdurstet war. Myra hat mir ihre Bernsteinsammlung gezeigt und dann sind wir ins Reden gekommen.“
    „Es gibt Gemeinsamkeiten. Ich war auch mal alleinerziehend“,

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