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Das Meer in deinem Namen

Das Meer in deinem Namen

Titel: Das Meer in deinem Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Koelle
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„Leider ausverkauft. Demnächst wieder im Angebot.“
    „Woher weißt du, dass es mehr geben wird?“, fragte sie Daniel, der hereinkam und versuchte, seine Hände sauber zu wischen.
    Er lächelte.
    „Weil Synne mir erzählt hat, dass du bleibst.“
    „Na, der Buschfunk funktioniert ja gut hier. In Berlin gibt es das nicht.“
    „Ich werde mich umhören nach einem Zimmer für dich“, versprach er.
    „Am besten dann eines, in dem man mit Sand und Wachs herumspritzen darf. Das wird schwierig.“
    Oder sollte sie Harry fragen, ob sie in einer Ecke seiner Werkstatt arbeiten durfte? Das würde ihn wohl kaum begeistern.
    „Wir könnten die alte Garage hinter dem Laden ausräumen. Da steht zwar erschreckend viel rum, aber ...“
    „Was Aufräumen angeht, bin ich gerade in Übung. Und ich habe Zeit.“
    „Ich freue mich, dass du bleibst.“
    Carly bekam feuchte Augen. Es war alles etwas viel auf einmal.
    „Ihr seid so schrecklich nett, alle. Daran muss ich mich erst gewöhnen.“
    Daniel sah sie scharf an und nahm sie dann kurzerhand brüderlich in den Arm.
    „Ich vertrete nur Ralph, solange er nicht da ist. Du brauchst einen Tee. Hier, setz dich hin. Ich mach uns einen.“
    Während der Kessel beruhigend sprudelte, warf Carly einen verstohlenen Blick in den Umschlag. Ui! Das konnte sich wirklich lohnen. Nicht so wie das Töpfern, aber doch. Und wenn sie beides schaffte ... Möglicherweise konnte sie das auch kombinieren. Ihre eigenen Kerzenhalter schaffen. Figuren, Skulpturen, mit Kerzen innen oder außen ... Die Ideen überschlugen sich in ihrem müden Hirn, machten ihr Angst. Sie wischte sich über die Stirn. Bekam sie Fieber?
    „Das ist Schöpfungsfieber“, sagte Daniel beruhigend. „Hier, trink das. Henny wirkte auch immer so überhitzt, wenn sie ein Bild fertig hatte und nicht wusste, welche von ihren Ideen sie als Nächstes bändigen sollte. Wenn es dir nicht mehr so neu ist, wirst du es lieben. Hast du denn früher nie bemerkt, dass du ein solches Talent hast?“
    „Nein. Es muss die Atmosphäre von Naurulokki sein.“
    „Oder von Ahrenshoop. Es war schon immer ein Künstlerdorf, weil gerade dieser Ort die Menschen inspiriert hat. Das Licht ist hier besonders, die Farben – und so manches andere auch.“

    Auf Naurulokki angekommen, ging es Carly besser, aber eine Abkühlung bauchte sie noch immer. Sie zog ihren Badeanzug an, ein Kleid darüber und lief an den Strand. Sie schwamm zum Kormoran hinaus, bis ans Ende der Buhne. Er hatte sich an sie gewöhnt, flog nicht mehr auf, wenn sie kam, sondern blickte höchstens ärgerlich, weil sie die Fische verscheuchte.
    Sie lehnte sich mit verschränkten Armen auf das wurmstichige Holz und planschte mit den Füßen.
    „Verstehst du das? Ich habe das Gefühl, ich träume. Das kann alles nicht wahr sein. Hoffentlich wache ich nicht auf. Ich wünsche es mir so sehr, dass alles so wird, wie es sich vorhin angefühlt hat, als ich die Skulptur gemacht habe.“
    Der Vogel erwiderte ihren fragenden Blick nachdenklich, behielt aber seine Antwort für sich.
    Carly blieb lange im Wasser, bis sie erfrischt und fröstelnd die Düne heraufkletterte. War das kühl geworden! Sie wickelte das Handtuch um ihr Kleid, aber es war zu feucht um zu wärmen.
    Endlich auf Naurulokki angekommen, suchte sie nass, barfuß und zähneklappernd in der Rocktasche nach dem Hausschlüssel.
    Da erhob sich jemand aus dem Stuhl auf der Terrasse.
    Jemand Großes, sehr Schlankes mit einer sachlichen Brille und einem kurzen, weißgrauen Pferdeschwanz. Jemand, den sie lange nicht gesehen hatte und der gar nicht wissen konnte und sollte, dass Carly hier war. Jemand, der ihr sehr viel bedeutete und den sie dennoch hintergangen und erst kürzlich am Telefon angelogen hatte.
    Carly ließ den altmodischen Schlüssel mit der geschnitzten Möwe aus ihrer klammen Hand fallen. Er landete schmerzhaft auf ihrem kalten großen Zeh.
    „Tante Alissa!“

37. Ein Abend im Frühherbst
     

    Carly starrte ihre Tante entgeistert an. Alissa war der letzte Mensch, den sie hier zu sehen erwartet hatte. Wenn sie das Brandenburger Tor plötzlich im Garten von Naurulokki gefunden hätte, hätte sie nicht verblüffter sein können.
    Ihr verdrängtes schlechtes Gewissen brach wie eine Flutwelle über sie herein. Was hatte sie sich dabei nur gedacht? Sie war erwachsen. Schon lange. Warum um Himmels willen hatte sie vor ihrer Abreise nicht einfach gesagt: „Tante Alissa, ich habe einen Ferienjob an der See und ich werde

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