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Das Meer in deinem Namen

Das Meer in deinem Namen

Titel: Das Meer in deinem Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Koelle
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viel näher wirkte, denn als sie aufstanden und sich den Sand abklopften, war da niemand.

38. Vom Wind
     

    Flömer war am Strand zurückgelaufen. Carly und Tante Alissa folgten Myras sicheren Schritten durch die Dunkelheit hinter dem Deich.
    „Es fühlt sich alles so leicht an.“ Tante Alissas Stimme klang jünger. „Orje hatte recht. Der Junge hat was gut bei mir. Es war richtig, die Dinge unter dem Teppich endlich zu lüften. Carly, es ist ein Jammer, dass ich uns das Meer so lange vorenthalten habe. Frag den neuen Besitzer des Hauses unbedingt nach der Ferienreservierung für nächsten Sommer, ja? Ich würde mich sehr darauf freuen.“
    „Ja, mache ich gerne.“ Sie musste es Tante Alissa sagen. Jetzt, im Dunkeln war es leichter. Nur nicht wieder Geheimnisse haben!
    „Tante Alissa, da ist noch was.“
    „Ja? Nur heraus damit.“
    „Ich habe beschlossen, hier zu bleiben. Ich kann nicht anders. Ich suche mir ein Zimmer und eine Arbeit – erst mal. Mir ist bewusst, dass das leichtsinnig ist. Verrückt. Dass es hier nichts für Astronomen zu tun gibt. Aber ich muss es einfach tun.“
    „Ja, wenn du es tun musst, dann ist das in Ordnung.“
    „Das ist in Ordnung? Einfach so?“
    „Es wird Zeit, dass etwas einfach mal einfach ist“, sagte Tante Alissa seelenruhig. „Du wirst den richtigen Weg für dich finden. Ich habe keine Zweifel.“
    Carly blieb stehen und umarmte spontan den langen Schatten neben sich.
    „Du bist so ein Schatz, Tante Alissa. Wenn wir dich nicht gehabt hätten!“
    „… dann hättet ihr irgendwo in einer netten Pflegefamilie nach Herzenslust Fischstäbchen essen dürfen.“
    „Fischstäbchen!“, schnaubte Myra. „Alissa, keine Sorge, ich werde Carlotta im Auge behalten.“
    Als Nächstes gründet sie mit Synne den Beschützt-Carly-vor-Harry-Club, dachte Carly.
    „Ich beziehe dir gleich das andere Bett. Wann musst du zurück?“, fragte sie.
    „Morgen früh. Ich habe Termine in Berlin, ehe ich zurück nach Österreich fahre. Ich nehme ein Taxi zum Bahnhof.“
    „Unsinn. Ich fahre dich hin“, widersprach Myra. „Ich muss sowieso in die Stadt.“

    Es war wie früher, Tante Alissas Schnarchen zu hören. Zuvor hatten sie noch bis tief in die Nacht geredet. Carly hatte ihr vom Töpfern erzählt und dass Daniel ihre Kerzen verkauft hatte. Sogar von der wilden Idee, die aus Hennys Sommerträumlikör geboren war, mit Thores altem Fernrohr eine Touristenattraktion aufzuziehen. Es war noch nie so einfach gewesen, sich mit Tante Alissa zu unterhalten.
    „Träume sind gut“, klang Tante Alissas Stimme beruhigend durch das mitternächtliche Zimmer, in dem Mondlicht durch die Ecken huschte und auch, da war sich Carly sicher, der eine oder andere vergessene Traum aus Thores Kindheit, der hier unter den Betten liegengeblieben war. „Man darf nur keine Angst vor ihnen haben.“
    Auch ein Lächeln von Henny und eine von Jorams Weisheiten flatterten unsichtbar um die Lampe wie Motten. Carly spürte es deutlich. Alles war gut. Wenn da nur nicht der drohende Abschied von Naurulokki wäre. Aber sie würde in der Nähe bleiben, und vielleicht klappte das ja mit Tante Alissas geplantem Urlaub im nächsten Jahr.
    Nur, es würde nicht dasselbe sein.
    Carly setzte sich auf.
    „Habe ich dir schon das kleine Bernsteinschiff gezeigt?“
    „Nein, ich habe nur auf dem Blog davon gelesen.“
    Carly tastete nach ihrer Taschenlampe. Sie wollte kein Licht machen und die Stimmung verjagen, außerdem würde es nur blenden. Barfuß tapste sie zum anderen Bett hinüber.
    „Hier.“
    Sie gab Tante Alissa das Schiff in die Hand und richtete den Lichtstrahl darauf. Honiggolden schimmerte der Rumpf, als würde er selbst von innen heraus leuchten. Silbern funkelten die Segel, die sich in einem stillen Wind blähten.
    „Toll!“, sagte Tante Alissa, drehte es bewundernd hin und her. Sie wollte es Carly schon zurückgeben, da fuhr sie zusammen, hielt es sich noch einmal näher vor das Gesicht und spähte angestrengt in den Bernstein.
    „Was ist?“
    „Ach, nichts.“ Tante Alissa rieb sich heftig die Augen, legte das Schiff in Carlys Hand. „Wir sind beide müde. Lass uns schlafen, Fischchen. Es war ein großer Tag.“
    Hatte sie etwa auch Hennys Gesicht gesehen?
    Carly öffnete den Mund, schloss ihn wieder, stellte das Schiff behutsam auf die Fensterbank zurück und knipste die Lampe aus.
    Es gab auch Dinge, über die man nicht reden musste.
    „Gute Nacht, Tante Alissa!“

    Am Morgen waren sie beide früh

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