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Das Meer in deinem Namen

Das Meer in deinem Namen

Titel: Das Meer in deinem Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Koelle
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wissen wollte, was das für ein Nebel im Sternbild Andromeda gewesen war. Jetzt ihren Computer im Koffer zu suchen, hatte sie keine Lust. Sie ging durch das dunkle Wohnzimmer, öffnete die Tür zu der kleinen Bibliothek, die sie am Abend gesehen hatte. Dort fand sie auch den Lichtschalter, der eine gemütliche Stehlampe mit einem goldgelben Schirm aufweckte. Zwei Schmetterlinge waren darauf gezeichnet, zart, eher angedeutet, wie ein Traumbild.
    Bücher für Thore, oh ja, davon gab es hier genug. Landschaftsgärtnerei, Lexika, Lyrik, Liebesromane – gut, die Letzteren waren nichts für Thore. Die Stelle mit den Naturwissenschaften fand sie schnell. Blumenführer, Schmetterlingsführer, Muschelführer ... Sternatlas. Na, bitte! M 31, der Andromeda-Nebel, Spiralgalaxie, mit Begleitgalaxie M 110 und M 32. Natürlich, Thore hatte ihr einmal die Spiralarme im Teleskop gezeigt. Sie stellte das Buch zurück, dabei fiel ein quadratischer Notizzettel heraus. Er stammte von einem dieser Blocks, die als Werbung von den Apotheken verteilt werden. „Rheumolin“, stand oben in roten Blockbuchstaben gedruckt. Darunter Hennys Handschrift:
    „Joram, Naurulokki und ich sind wie Wega, Atair und Deneb. Ein harmonisches, ausgewogenes Zusammenspiel; trotz der unabänderlichen Distanz zwischen uns. Wir ergänzen uns, erzeugen ein Leuchten. Allein sind wir nichts, nichts wovon es nicht unzählige andere gäbe, verloren in der Masse ...“
    Wer, bitte, war Naurulokki? Das wurde ja zu einer Schnitzeljagd nach anderer Leute Leben.
    Wega, Atair und Deneb. Die jeweils hellsten Sterne aus der Leier, dem Adler und dem Schwan: das Sommerdreieck.
    Henny hatte sich also auch für Sterne interessiert, zumindest am Rande. Nicht überraschend, wenn man in einem Land lebt, über dem der Himmel so überwältigend tiefschwarz und funkelnd in der Nacht liegt. Hatte Thore sein Interesse von hier mitgenommen? Der Anblick musste ihm als kleinem Jungen ebenso wundersam erschienen sein.
    „ Joram, Naurulokki und ich sind wie Wega, Atair und Deneb ...“
    Ein guter Gedanke. Irgendwie trafen Thore und Carly sich da draußen auch, in jenem Leuchten, unvorstellbare Lichtjahre entfernt. Trafen sich durch ihr gemeinsames Staunen, ihre Faszination, ihr Wissen und waren sich dort nahe, wenn auch auf andere Art als eine, die hätte geschehen können, wenn alles anders gelaufen wäre. In jenen Lichtpunkten da draußen im All liefen ihre Wege zusammen, auf eine klare und unbedenkliche Art.
    Eine tröstliche Vorstellung.
    Danke, Henny und Joram, wo auch immer ihr seid, dachte Carly. Was war mit ihnen geschehen?

    Gähnend kehrte sie in das Zimmer unter dem Dach zurück.
    Ehe sie zurück ins Bett kroch, holte sie den Meteorit aus ihrem Rucksack, den ihr Tante Alissa damals geschenkt hatte und der sie seither begleitete. Inzwischen wusste sie zwar, dass es sich nicht um rätselhafte Post von ihren Eltern handelte. Aber geheimnisvoll war er dennoch. Meteoriten geben Aufschluss über die Kohlen- und Wasser- und andere Stoffe, die aus dem All auf die Erde kamen, über den Sternenstaub, aus dem alles Leben entstand. Also doch Post vom Himmel.
    Carly legte ihn sorgfältig auf die Fensterbank ins Sternenlicht neben das Schiff und hatte das Gefühl, nun hier eingezogen zu sein, auch wenn es nur für einen Monat war.
    Draußen war es wieder leise geworden. Der Wind war verstummt, aber die Ruhe war tiefer als nur sein Fehlen. Vielleicht war das Schweigen in dieser Landschaft so allgegenwärtig, weil die Stille unter den Reetdächern nistete wie die Schwalben, deren leere Nester Carly über sich entdeckte. Das Reet schluckte die Geräusche ebenso wie es isolierte und im Sommer für Kühle, im Winter für Wärme sorgte. Carly dachte an Berlin, an die harten Ziegel- und die flachen, heißen Teerdächer, spürte keine Sehnsucht.
    Irgendetwas, vielleicht Staub aus dem Reet, ließ sie niesen. Sie suchte im Seitenfach ihres Rucksacks nach Taschentüchern; dabei fiel ein Zettel zu Boden. „Danke für deine Hilfe, und habe eine gute Zeit! Genieße sie, du hast es verdient! Bis bald, Thore.“
    Carly strich über die Handschrift und legte den Zettel unter den Meteoriten auf der Fensterbank. Es schien, als ob sich Hennys Gewohnheiten in diesem Haus wie von allein fortsetzten.

    Das Klingeln ihres Handys weckte sie. Erschrocken sah sie auf die Uhr. Acht! So lange hatte sie seit einer Ewigkeit nicht geschlafen.
    Thores Stimme klang beneidenswert munter an ihrem Ohr, wenn es auch in der

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