Das Meer in deinem Namen
Carly erkannte es am Motor.
„Dachte ich mir doch, dass du hier bist“, sagte Jakob zu Anna-Lisa. „Wie ich sehe, bist du schon versorgt.“
„Hast du was gefangen?“
„Ja – einen tollen Hecht, und den kann ich unmöglich allein essen! Unterwegs habe ich Synne getroffen und sie für heute Abend eingeladen. Sie will Daniel mitbringen. Und ich dachte, Carly möchte mal einen Boddenhecht kosten. Sie sind selbstverständlich auch eingeladen“, sagte er zu Orje.
„Aber Papa, dann könnten wir ja auch hier grillen, so wie früher mal an meinem Geburtstag mit Joram und Henny.“
„Da musst du Carly fragen. Vielleicht ist es Zeit, dass Naurulokki Geselligkeit erlebt.“
Carly fühlte sich von Jakobs guter Laune angesteckt.
„Unbedingt“, sagte sie.
Orje warf ihr einen erstaunten und erfreuten Blick zu.
„Da ist es ja gut, dass ich Friederike mit habe“, meinte er.
„Wer ist Friederike?“, fragte Anna-Lisa argwöhnisch.
„Komm mit, ich zeig sie dir“, sagte Orje. „Du wirst sie mögen. Und dann mähen wir den Rasen. Du zeigst mir, wie man den Motor startet, ja?“
Jakob sah ihnen nach. „Da haben sich ja zwei gefunden. Und wie geht es dir?“
„Leere Bücherregale machen traurig. Aber auch ein gutes Gewissen. Heute sind wir vorangekommen.“
„Dann habt ihr ein schönes Essen verdient. Ich bringe jetzt die Einkäufe nach Hause und bereite alles vor.“
„Willst du die Sachen nicht gleich hier lassen? Wenn wir hier grillen, helfe ich dir natürlich. Wir tragen einfach alles in die Küche.“
„Gut, aber den Hecht abschuppen und ausnehmen mache ich bei mir. Das gibt zu viel Unordnung. Ich habe einen Extraplatz im Hof dafür, der ist Kummer gewohnt.“
Zusammen schleppten sie interessante Tüten den Abhang hoch, während Friederike die Töne der „Berliner Luft“ in den Sommerwind mischte.
„Die Berliner Luft hätteste ruhig zuhause lassen können“, rief Carly ihm zu. „Die Ahrenshooper ist viel besser!“
„Eine Walze mit Shanties habe ich leider nicht“, meinte Orje.
„Mir gefällt es!“, strahlte Anna-Lisa, die an der Kurbel drehen durfte und mit irrwitzig wechselndem Tempo der „Berliner Luft“ eine ganz neue Note verlieh.
„Jetzt mähen wir aber den Rasen!“ Energisch zog Orje den Mäher in Position, bemühte sich, den Motor zu starten.
Anna-Lisa musste lachen.
„Nee, so musst du an der Schnur ziehen, guck!“
Bald schob Orje den Mäher durch die verwilderte Wiese, malte dabei Herzen und Kringel, während Anna-Lisa ihm vorauslief und Margeriten, Butterblumen und wilde Schafgarbe pflückte, bevor sie der Klinge zum Opfer fielen.
Das Wetter blieb sommerlich sanft, der Himmel bis auf ein paar Federwolken ungetrübt, und genauso fühlte sich Carly, während sie Stühle zusammensuchte, einen weiteren Tisch an den unter der Birke stellte und Anna-Lisas Blumenstrauß mitten darauf platzierte. Dafür nahm sie eine bauchige Keramikvase, die sie in Hennys Zimmer gefunden hatte und die ihr so gut gefiel, dass sie Thore fragen wollte, ob sie sie behalten durfte. Sie war offensichtlich handgetöpfert, leicht unregelmäßig, mit einer Form, die ihre Hand immer wieder verlockte, darüber zu streichen, mit einem zarten Gräserrelief und einer wolkigen, pastellfarbenen Mattglasur. Wenn man sie umdrehte, fanden sich auf dem Boden eingeritzt die Buchstaben PP und ein stilisierter Vogel.
„Weißt du, wer die gemacht hat?“, fragte sie Jakob, der seinen Grill über den nun manierlich glatten Rasen auf sie zurollte.
Prüfend hob er die Vase hoch und betrachtete die Initialen mit der kleinen Zeichnung.
„Das ist ein Kormoran“, stellte er fest. „Nein, weiß ich nicht, aber frag doch Synne, wenn es ein ortsansässiger Töpfer ist, weiß sie das.“
Der Hecht war der größte Fisch, den Carly je gesehen hatte. Bewundernd sah sie zu, wie Jakob ihn geschickt innen und außen mit Zitrone beträufelte, ihn salzte und pfefferte und liebevoll eine Füllung bereitete, während die Gewürze einzogen. Die zärtliche Art, wie seine Hände mit den Nahrungsmitteln umgingen, erinnerte sie an Rory, wenn er auf seinen Instrumenten spielte. Jakob hackte Sardellenfilets, mischte sie mit Hackfleisch und Paniermehl, füllte den Hecht damit und nähte ihn zu. Dann halbierte er eine Menge Tomaten und Paprika.
„Die legen wir einfach mit auf den Grill“, sagte er, „und Kartoffelsalat ist im Kühlschrank. Fertig. Wo ist Orje?“
„Hier!“ Orje und Anna-Lisa kamen mit zufriedenen Mienen
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