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Das Meer in deinem Namen

Das Meer in deinem Namen

Titel: Das Meer in deinem Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Koelle
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geschrieben. Seit sie Naurulokki liebgewonnen hatte, gab Carly ihm recht. Vor lauter Wohnen war sie kaum zum Arbeiten gekommen.
    Zum Glück schien der Herr Schnug nicht pingelig und wirkte obendrein so, als verstehe er tatsächlich zu wohnen. Allerdings wahrscheinlich nicht hier. Er war zu groß und zu bewegungsfreudig. Im Gegensatz zu Thores filigranen Gesten waren die des Herrn Schnug ausladend. Sie benötigten Raum, ebenso wie seine Stimme, die vernehmlich gegen die Wände stieß.
    „Ich hoffe, Professor Sjöberg findet bald einen Käufer für dieses wunderschöne Anwesen“, sagte er zum Abschied und schüttelte ihr heftig die Hand. „Möglicherweise kann ich helfen, ich kenne da jemanden. Vielen Dank für den Tee – wo, sagten Sie, ist dieser Laden?“
    Carly gab ihm Daniels Karte.
    Den Strauß ordnete sie in einer Vase und überlegte, wer wohl demnächst sein Leben lang Sträuße in den Flur von Naurulokki stellen würde.
    „Wer auch immer es sein wird, ich hoffe, sie sind so nett wie der Herr Schnug und haben ein Gefühl für schöne Plätze, für Häuser – für dieses Haus. Und ich wünsche mir, dass Jorams Möbel bleiben dürfen“ , schrieb sie in das Blog.
    „Das hoffe ich auch“ , kommentierte Orje dort wenige Minuten später . „In dem Haus ist irgendwie – Musik. Stille Musik. Es spricht mich auch an. Aber ich denke, du kannst zuversichtlich sein. Solche besonderen Orte ziehen meist nur diejenigen Menschen an, die das spüren und zu schätzen wissen. Bis dahin genieße es. Du hast ja noch ein paar Wochen Zeit.“
    Carly schaltete den Computer aus. Genau. Da war noch Zeit. Darum würde sie auch erst morgen das Gebirge auf dem Schreibtisch in Angriff nehmen. Es war ein langer Tag gewesen, ein Tag voller Stimmen. Orje, Jakob, Anna-Lisa und die Jungs. Herr Schnug. Aus den Schatten, unhörbar gegenwärtig, Joram.
    Und dann das Bild von Henny, das jetzt in der Küche an der Wand lehnte. Es war so lebendig, dass es Carly ganz unruhig machte. Nun war sie noch weniger allein im Haus als zuvor.

    Hatte nicht der Herr Schnug vorhin kritisch die welken Rosen betrachtet, Hennys weiße Rosen, die an der Loggia rankten und am Tor? Carly würde dem Abend Gesellschaft im Garten leisten und sich darum kümmern. Das gehörte schließlich auch zu ihren Aufgaben. Neben dem Fenster hing eine Gartenschere, dort, wo man von außen nach ihr greifen konnte, wenn man sie eben mal brauchte und nicht extra ins Haus gehen wollte. Genau dort hätte Carly sie auch hingehängt.
    Ach Henny, dachte sie, wir hätten uns bestimmt gut verstanden.
    Sie vermisste Teresa so sehr. Mit ihr hätte sie wunderbar über ihre Gefühle für Naurulokki, für Henny und Joram reden können. Teresa hatte so etwas ohne viele Erklärungen begriffen, hatte Geschichten daraus gesponnen, und dann gewann alles eine Leichtigkeit und eine neue Perspektive.
    In der Dämmerung leuchteten die gefallenen Blütenblätter auf dem von Orje gemähten Gras, zeigten an, wo es verwelkte Köpfe abzuschneiden gab. Carly dachte an Abraham Darby und ob Orje vielleicht gerade dabei war, ihn zu gießen.
    Außer Abraham vermisste sie nichts an Berlin.
    An der Westgrenze des Grundstücks standen weiße Hortensienbüsche. Carly wanderte selbstvergessen daran entlang und schnitt auch hier die braun gewordenen Dolden ab.
    „Hmpf!“, machte plötzlich eine Stimme.
    Carly fuhr zusammen.
    „Kümmern Sie sich jetzt um das Haus?“ Die Stimme klang alles andere als begeistert.
    Carly spähte über den Zaun und entdeckte eine ältere Dame, groß gewachsen und in kerzengerader Haltung, die Carly von ihrer überlegenen Höhe aus mit missbilligendem und sehr scharfem Blick fixierte. Das blau gestrichene Holzhaus mit dem moosbedeckten Dach auf dem Nachbargrundstück hatte Carly schon bewundert, aber noch nie jemanden dort gesehen.
    „Guten Tag“, sagte sie freundlich. „Ja, ich habe den Auftrag, das Haus für den Käufer vorzubereiten, der noch gesucht wird.“
    „Hmpf. Sind Sie mit dem Erben verwandt?“
    „Nein. Ich bin nur angestellt.“
    „Aha.“ Die Stimme verlor eine Spur an Barschheit. „Dann nehmen Sie sich nur in Acht vor dem.“
    Carly war belustigt. Schon manche Studenten hatten auf Thore geschimpft, weil er bei Prüfungen sehr streng war. Doch noch nie hatte jemand von ihm gesprochen, als sei er ein Ungeheuer. Und dieser Dame reichte er höchstens bis zur Schulter.
    Aber etwas sagte ihr, es wäre besser, der unwirschen Dame in dieser Sache nicht zu

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