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Das Meer in deinem Namen

Das Meer in deinem Namen

Titel: Das Meer in deinem Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Koelle
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eine Hautfalte an seinem Hals darüber hing. Ich bekam selber keine Luft und dachte nur an dich und dass du hier den frischen Wind um dich hast. Als der Vortrag vorbei war, habe ich meine Kündigung geschrieben und meinen Resturlaub beantragt, bin nach Hause gefahren, habe meinen Koffer gepackt, Christiane gesagt, dass ich mich von ihr und dem Presseball und den richtigen Möbeln trenne und bin in ein Hotel gegangen um zwei Tage nachzudenken. Jetzt weiß ich nur, dass ich nicht mehr richtig sein will. Der Rest wird sich finden. Du brauchst keine Angst haben, dass ich hier bleibe. Ich wollte nur sehen, wie es dir geht, und dann eine Weile ins Blaue fahren.“
    „Solange du dabei nicht verschwindest wie Joram.“
    Ralph hörte sie nicht. Er war aufgesprungen, zog Carly hoch und wirbelte sie herum wie früher.
    „Hach, das Leben! Ich hatte vergessen, wie es sich anfühlt. Der Wind hier schmeckt genauso, wie ich es mir vorgestellt habe!“
    „Ich habe meinen Bruder wieder!“, sagte Carly verwundert und beglückt. „Der Floh!“ Sie zog ihn an beiden Ohren wie damals. „Lass mich runter! Ich hab Durst. Fisch will schwimmen.“
    „Au ja. Zeig mir das Haus und mach uns was von dem Tee, von dem du erzählt hast.“
    Carly fummelte am Türschloss. Ralph stand hinter ihr und zupfte an einer ihrer Locken.
    „Und morgen früh gehen wir schwimmen. Glaub ja nicht, dass du dich noch länger drücken kannst.“
    In Carlys Magen regte sich ein beklommenes Gefühl, das nicht vom Fisch kam. Als sie die Tür öffnete, rieselten gelbe Blütenblätter aus dem Dahlienstrauß zu Boden.

    Es war wie früher, wie ganz früher, als sie beide im „Schwalbenzimmer“ unter dem Dach in den Betten lagen und sich im Dunkeln unterhielten. Nach einem Blick in Hennys Zimmer hatte sich Ralph für das zweite Gästebett in Carlys Stube entschieden.
    „Das Henny-Zimmer wirkt mir zu bewohnt. Am Ende hat sie was dagegen.“
    Er hatte gegrinst dabei, aber Carly wusste, was er meinte.
    „Sag mal“, fragte Carly in die Dunkelheit hinein, „hat Tante Alissa dir mal erklärt, warum sie in der Hauswartwohnung geblieben ist? Nachdem sie mit ihrem Studium fertig war und die gute Anstellung im Museum bekommen hat, hätte sie sich doch etwas Besseres leisten können? Spätestens als sie uns zu sich nahm – und wir hatten ja unsere Waisenrenten. Warum hat sie die Enge ertragen und die Arbeit mit dem Treppeputzen und Gärtnern und Schneeschieben auf sich genommen?“
    „Ich hab sie danach gefragt. Sie erklärte, die Enge hätte sie beruhigt – so hatte sie uns immer in Blick- oder Hörweite. Und auch die Nähe zum Boden gab ihr Sicherheit. Die feste Erde um uns herum fand sie schön. Niemand konnte aus dem Fenster stürzen und im Falle eines Brandes hätten wir uns leicht retten können. Sie muss das Gefühl gehabt haben, in einer engen, ebenerdigen Wohnung wäre die Wahrscheinlichkeit für Katastrophen am geringsten.“
    „Aha. Ja, sie hatte immer Angst, uns nicht genug beschützen zu können.“
    „Tante Alissas Psyche ist kompliziert, aber nicht ohne Grund. Wusstest du, dass sie ihren Freund bei einem Tauchunfall verloren hat?“
    Carly setzte sich kerzengerade auf.
    „Sie hatte einen Freund?“ Es schien schwer vorstellbar. Ein Interesse an Männern hatte sie an Tante Alissa nie wahrgenommen, bis Franzl kam.
    „Ja, sie waren verlobt. Er war auch Archäologe. Sie haben zusammen einen renommierten Wissenschaftspreis gewonnen. Auf einer Expedition in Ägypten ging er tauchen, und etwas ging schief. Er hatte einen erfahrenen Tauchlehrer mit, aber sie kamen beide ums Leben.“
    „Wann war das?“
    „Zwei Jahre vor dem Unfall unserer Eltern.“
    „Sie hatte also doppelt Grund, das Meer zu fürchten. Das erklärt alles.“
    Ralph räusperte sich.
    „Was?“, fragte Carly.
    „Naja, da ... war noch was.“
    „Sag schon. Ich bin kein Kind mehr.“
    „Sie war heimlich in Vater verliebt. Natürlich hatte sie ein rabenschwarzes Gewissen deswegen, obwohl er wohl nie davon erfuhr und Mutter auch nicht. Sie fühlt sich schuldig am Tod unserer Eltern, was natürlich Blödsinn ist. Als hätte sie mit diesen ungehörigen Gefühlen die Katastrophe heraufbeschworen.“
    Das musste Carly erst verdauen.
    „Kein Wunder, dass sie alles wiedergutmachen wollte, indem sie uns vor allem beschützte, besonders vor dem Meer. Ich staune aber, dass sie dir das verraten hat.“
    „Es war an meinem achtzehnten Geburtstag. Sie war beschwipst. Du weißt, wie selten das bei

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