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Das Meer in deinem Namen

Das Meer in deinem Namen

Titel: Das Meer in deinem Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Koelle
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dort.
    „Sie ist wunderbar“, sagte Henny. „Aber allein?“
    Joram setzte sich neben sie. „Vielleicht finde ich bald ein zweites, geeignetes Stück um ihr einen Gefährten zu geben.“
    „Sieh doch im Keller nach.“
    Er schüttelte den Kopf. Für Henny war die Treibholzsammlung im Keller ein unübersichtlicher Haufen, aber Joram kannte jedes der Stücke auswendig, das er einmal aufgehoben und als brauchbar wahrgenommen hatte.
    „Da ist er nicht. Er wird mir sicher noch begegnen.“
    Henny holte tief Luft. „Vielleicht hat sie ihn schon gefunden.“
    Joram schwieg. Er hatte seine langen Beine übereinandergeschlagen und die Hände über dem Knie gefaltet, nicht nur aus Bequemlichkeit, sondern um es zu wärmen.
    Wenn Henny sich zu etwas entschlossen hatte, zog sie es durch. Das war eines ihrer Lebensprinzipien.
    „Joram, es funktioniert so gut mit uns beiden. Schon lange jetzt. Du fühlst dich wohl auf Naurulokki. Das, was du deine Wohnung nennst, ist eine Zumutung. Wir kennen unsere Schwächen, jeder von sich selbst und vom anderen. Wir haben beide früh gelernt, Kompromisse zu machen. Willst du nicht hier einziehen? Du könntest die oberen Zimmer haben, und ich mache mir ein Schlafzimmer aus dem Büro. Wir könnten sogar hinten eine Treppe nach oben bauen, dann hättest du einen eigenen Eingang.“
    Joram lächelte.
    „Ich brauche keinen eigenen Eingang.“
    Er nahm Hennys Hand, sie lehnte sich an seine Schulter.
    „Bist du sicher, dass hier Platz für mich wäre – neben Nicholas?“
    „Schon lange. Das weißt du. Nicholas ist fern. Eine liebe Erinnerung. Meine erste Liebe ist es nicht, die dich zögern lässt. Es ist die Vorstellung von Nähe und vom Bleiben. Du weißt nicht, ob du es willst und wenn, ob du es kannst. Wir könnten es ausprobieren, es müsste nicht auf Dauer sein.“
    Joram schüttelte den Kopf.
    „In unserem Alter wäre es für immer. Was auch immer wir jetzt entscheiden, wir werden es nicht mehr ändern. Gibst du mir Zeit? Ich muss nachdenken.“
    „So viel du brauchst. Wenn du jetzt gerade noch ein wenig hier mit mir sitzen bleibst.“
    „Sehr gerne.“
    Er ließ ihre Hand los und legte den Arm um sie. Zusammen sahen sie zu, wie der Abendnebel sich den Hügel herauf anschlich. Aus dem fernen Wald hallte melancholisch das Röhren der Hirsche herüber, aber um Naurulokki herum lag Stille ohne Einsamkeit.

Carly
1999

28. Flieg, Fischchen!
     

    Carly betrachtete ihren Bruder entgeistert. Sie hatte ihn seit einer Ewigkeit nur im Anzug gesehen, ohne einen einzigen Knick in der Bügelfalte. Jetzt trug er ein fröhlich blau und orange gemustertes Hemd und eine künstlich abgeschabte Jeans.
    „Ralph! Was machst du hier?“
    Er grinste sie an.
    „Ich dachte, du brauchst jemanden, der mit dir schwimmen geht. Und ich wollte sehen, ob du deinen Professor endlich vergessen und einen anderen Frosch geküsst hast.“
    Sie aßen die Fischbrötchen gleich auf der Treppe sitzend, wo man kleckern konnte, ohne dass das Haus nach Fisch roch.
    „Mmhhh. Herrlich!“
    Ralph klang dermaßen zufrieden, dass sich das nicht nur auf den Fisch beziehen konnte.
    „Es ist ja schön, dass du dir ausnahmsweise mal ein paar Urlaubstage gönnst, aber was sagt Christiane dazu, dass du hier bist?“, fragte Carly.
    „Keine Ahnung. Wir haben uns getrennt. Und Urlaub habe ich auch nicht. Ich habe gekündigt.“
    „ Was hast du?!“
    „Du hast ganz richtig gehört.“
    „Aber ... was ist passiert?“
    „Nichts. Das ist es ja. Seit Jahren passiert nichts. Die Bank ist voller Zahlen und Christiane ist voller Klischees. Der richtige Besuch, der richtige Stil, das richtige Wellness-Programm. Dann bist du weggegangen. Du hattest den Mut, das Tabu zu brechen, einfach etwas zu ändern. Ich war neidisch und voller Bewunderung, und ich sehnte mich nach dem Gefühl, das wir früher hatten, wenn wir heimlich Fischbrötchen am Kudamm gekauft haben.“
    Carly hörte, wie er das leere Papier zusammenknüllte.
    „Vor drei Tagen eröffnete mir Christiane, dass sie Karten für den Presseball ergattert hat. Weiß der Himmel, wie. Sie erwartete, dass ich begeistert bin, ihr ein sauteures Ballkleid kaufe, in dem sie aussieht wie eine ausgestopfte Praline – ebenso wie alle anderen Damen dort – und sie begleite um die richtigen Leute zu treffen. Zwei Stunden später in der Bank hielt der Filialleiter einen Vortrag über neue Aktienfonds und ich bekam kein Wort mit, starrte immer nur auf seinen Kragen. Der war so eng, dass

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